Magazin für Kultur

Kategorie: Reisereportage

Wie der Riesling nach New South Wales kam

Was soll man tun, wenn es einen in eine Gegend ver­schla­gen hat, wo kein Wein wächst? Ganz klar, man importiert welchen und am besten stellt man auch gle­ich ein paar Arbeit­er an, die etwas vom Weinan­bau ver­ste­hen.

Ob das die Über­legun­gen waren, die den Unternehmer und Poli­tik­er John Macarthur motivierten, ist nicht ein­wand­frei zu rekon­stru­ieren. Es ste­ht aber fest, dass es zu sein­er Zeit, als die Kolonie New South Wales noch in ihren Anfän­gen steck­te, dort keinen Wein gab und dass die Macarthurs die ersten und die erfol­gre­ich­sten waren, die Weine in der Region kul­tivierten.

Eine gute Idee

John Macarthur war zwar nicht vom Fach, aber er hat­te seinen Geschmacks­gau­men trainiert. Zusam­men mit seinen Söh­nen William und Edward unter­nahm er zwis­chen 1815 und 1816 eine Expe­di­tion nach Europa, um ver­schiedene Wein­sorten zu inspizieren und neben­bei noch etwas über deren Anbau zu erler­nen. Allerd­ings reichte seine prak­tis­che Erfahrung dann doch nicht aus, um ein paar der Wein­reben in brauch­barem Zus­tand nach Aus­tralien zu trans­portieren.

Zuhause der Macarthurs um 1834, Cam­den Muse­um © Sophia Höff

Immer­hin besaß er schon das passende Land: Als John Macarthur 1805 fün­f­tausend Mor­gen Land zuge­sprochen bekam, hieß die Region noch Cow­pas­ture Plains. Macarthur hat­te den britis­chen Kolo­nialsekretär Lord Cam­den davon überzeugt, dass sich das Land prächtig für Viehzucht und Land­wirtschaft eignen würde. 1830 hat­ten die Macarthurs dort einen ersten Wein­berg angelegt.

Die nächste Generation übernimmt

Schein­bar nahm die geistige Gesund­heit John Macarthurs allmäh­lich ab. Daher über­nah­men 1832 seine Söhne das Rud­er. Die Schafzucht flo­ri­erte bere­its und der Weinan­bau wurde eifrig vor­angetrieben. Dazu soll­ten deutsche und englis­che Winz­er angestellt wer­den.

Im Okto­ber 1835 gab Gou­verneur Bourke ein Sys­tem von Belo­bi­gun­gen bekan­nt, wodurch bes­timmte Immi­granten sub­ven­tion­iert wer­den soll­ten. Das Schema favorisierte Lan­dar­beit­er mit Fam­i­lie. Arbeit­ge­ber kon­nten so gün­stig Arbeit­er in die Kolonie holen.

Das kam für die Macarthurs wie gerufen. Edward hat­te ger­ade seinen Posten im House of Lords ver­loren und suchte ohne­hin nach ein­er sin­nvollen Betä­ti­gungsmöglichkeit. Deshalb ging er nach Deutsch­land, um Winz­er aus dem Rheinthal zu rekru­tieren. Das Sys­tem von Belo­bi­gun­gen zielte nicht nur auf das fach­liche Kön­nen, son­dern auch auf den Charak­ter ab. Es gab schein­bar Schwierigkeit­en, die erforder­lichen Papiere zu bekom­men. Deshalb ließ Edward seine Beziehung spie­len und reichte am 15. März 1837 eine Eingabe bei Lord Glenelg in Lon­don ein. Der sollte bestäti­gen, dass die Auswan­derung der sechs aus­ge­sucht­en Fam­i­lien durch die Regierung ihrer Majestät sank­tion­iert war. Die Zeit dränge, heißt es in der Eingabe, denn die Fam­i­lien soll­ten einige Monate vor der Wein­ernte ankom­men, die im Jan­u­ar und Feb­ru­ar stat­tfind­en würde.1

Die ersten Deutschen in New South Wales

Nach diesem Schema bracht­en die Macarthurs zwis­chen 1837 und 1838 sechs Fam­i­lien aus dem Rhein­tal in der Nähe von Frank­furt nach New South Wales. Das Schiff mit den deutschen Fam­i­lien an Bord legte am 10. Dezem­ber 1837 in Lon­don ab. Wie aus den Pas­sagierlis­ten zu erse­hen ist, stammten sie aus Nas­sau. Sie waren als Diener gelis­tet.

Trauben­presse der Winz­er­fam­i­lie Thurn, Cam­den Muse­um © Sophia Höff

Die Reise ver­lief nicht rei­bungs­los: Kurz nach­dem sie Lon­don ver­lassen hat­ten, wur­den viele der Frauen und Kinder seekrank. Außer­dem mussten sie mit anse­hen, wie ein Matrose, der zu tief ins Glas geguckt hat­te und zur Strafe ans Steuer­rad gebun­den wurde, durch die stür­mis­che See über Bord ging. Ins­beson­dere Johann Stein erwies sich als echter Karneval­ist, als er bei ein­er mak­aberen See­mannsz­er­e­monie an Fasching dachte. In einem Brief vom 27. Mai 1838 erzählte er, dass sich fünf der Matrosen verklei­de­ten, Schiff­s­teer auf das Gesicht der Fahrgäste träufel­ten und sie anschließend mit einem Ring absch­abten. Ein offen­bar wider­lich schmeck­endes Getränk musste auch kon­sum­iert wer­den.2

Über kurz oder lang war die Seefahrt über­standen. Die Wein­ernte des Jahres 1838 hat­ten sie jedoch ver­passt, als sie am 22. April in Syd­ney ein­liefen. Die sechs nas­sauis­chen Fam­i­lien waren die erste sig­nifikante Gruppe Deutsch­er, die nach New South Wales kam. Mit ihnen kam der erste Ries­ling in die Kolonie. Die Cot­tages in Cam­den Park, wie Macarthur sein Land in Anerken­nung seines Gön­ners nan­nte, standen für die Deutschen bere­it. Sie waren mit allem Notwendi­gen aus­ges­tat­tet.

Der Wein wächst und gedeiht…

Der Ries­ling, der im Rhein­tal ange­baut wird, ist sicher­lich nicht zu ver­acht­en. Doch die Macarthurs hat­ten wahrschein­lich nicht die kul­turellen Unter­schiede bedacht. Ins­beson­dere William hat­te Prob­leme die nas­sauis­che Leben­sart nachzu­vol­lziehen. In einem Brief vom 20. August 1847 schrieb er an Edward: „Sie waren eine sehr unan­genehme Gesellschaft, unun­ter­brochen am Stre­it­en und in heißem Wass­er“.3

… persönliche Differenzen ebenso

Den gele­gentlich aus­ge­tauscht­en Ansicht­en zu poli­tis­ch­er Frei­heit kon­nte er sich über­haupt nicht anschließen. Es stand das Rev­o­lu­tion­s­jahr 1848 vor der Tür. Sobald ihr Fünf-Jahresver­trag erfüllt war, entließ William deshalb alle Nas­sauer bis auf Johann Stein, den er als einen exzel­len­ten und treuen Angestell­ten beze­ich­nete.

Ein­trag über Johann Stein in der Buch­hal­tung der Macarthurs, State Library of NSW © Sophia Höff

Doch die Dif­feren­zen, die William mit den Nas­sauern gehabt zu haben schien, waren wohl nicht grund­sät­zlich. Denn als 1843 die Verträge der sechs Arbeit­er aus­liefen, wollte er neue aus Deutsch­land kom­men lassen. Die Kolo­nial­regierung in Lon­don lehnte das mit der Begrün­dung ab, dass keine größere Anzahl nicht-britis­ch­er Winz­er als Arbeit­er in der Kolonie zuge­lassen wer­den kön­nten. In einem Vor­wort zu seinen gesam­melten Zeitungs­beiträ­gen „Let­ters on the Cul­ture of the Vine, Fer­men­ta­tion and the Man­age­ment of the Wine in the Cel­lar“ kon­terte William Macarthur ärg­er­lich: „Es mag natür­licher­weise gefragt wer­den, wie es kommt, dass, wenn Boden und Kli­ma so vorteil­haft für Weinan­bau sind, wir unsere Hügel nicht von Wein eingek­lei­det sehen […]? [E]s ist der beina­he vol­lkomme­nen Abwe­sen­heit von prak­tis­ch­er Erfahrung mit den Einzel­heit­en geschuldet. Hätte unsere Heima­tregierung ihre Pflicht erfüllt, hätte sie […] zwei- oder drei­hun­dert deutsche, schweiz­erische oder franzö­sis­che Winz­er an unsere Küsten über­sandt“.4

Natür­lich kon­nte auch dieses Hin­der­nis aus dem Weg geräumt wer­den und weit­ere deutsche Fam­i­lien kamen nach Cam­den Park. Darunter war auch Joseph Stein, der nach Johann und Jakob als drit­ter aus der Fam­i­lie Stein nach Syd­ney kam. Sein Brud­er Johann Stein hat­te für ihn eine Anstel­lung bei den Macarthurs arrang­iert. In einem Brief an Bern­hard Jung vom 26. Sep­tem­ber 1849 berichtete Joseph Stein, dass er eben­falls bei den Macarthurs als Auf­se­her über den Wein­berg und den Keller arbeit­en und in das­selbe Cot­tage einziehen werde wie Johann zwölf Jahre zuvor. Zu diesem Zeit­punkt hat­te Johann bere­its 100 Mor­gen eigenes Land in der Umge­bung erwor­ben. 1852 kam Mar­tin Thurn aus Frauen­stein am Rhein, um bei den Macarthurs zu arbeit­en. Seine Wein­presse ist heute im Muse­um Cam­den aus­gestellt.

Wein­presse der Winz­er­fam­i­lie Thurn, Cam­den Muse­um © Sophia Höff

Die Weinindustrie in Camden heute

Es ist kein Wun­der, dass sich William so für sein Konzept, inter­na­tionale Winz­er her­anzu­holen, ein­set­zte. Es war erfol­gre­ich. Cam­den Park war sein­erzeit der größte Wein­pro­duzent Aus­traliens. Sie schafften es auf 16.000 Gal­lo­nen pro Jahr und ver­fügten über bis zu 30.000 Gal­lo­nen in ihrem Weinkeller. Der Ries­ling aus Cam­den Park gewann inter­na­tionale Preise, bis eine Reblaus-Epi­demie in den 1880ern dem ein abruptes Ende set­zte. Nach und nach wird die Region aber wieder als Weinan­bauge­bi­et genützt. Heute gibt es mehrere Weingüter in Cam­den und die Macarthur Fam­i­lie wohnt noch immer in Cam­den Park. Der Ries­ling hat sich mit­tler­weile in ganz Aus­tralien etabliert, wobei er sich geschmack­lich vom rhein­hes­sis­chen Ries­ling unter­schei­det.

Der Macarthur-Park in Cam­den © Sophia Höff

FUßNOTEN

  1. Cloos und Tamp­ke: Greet­ings from…, S. 11. ↩︎
  2. Cloos und Tamp­ke: Greet­ings from…, S. 88. ↩︎
  3. Cloos und Tamp­ke: Greet­ing from…, S. 22. ↩︎
  4. Macarthur: Let­ters on…, S. iv. ↩︎

LITERATUR

  • Atkin­son, Alan: Cam­den. Farm and vil­lage life in ear­ly New South Wales, Mel­bourne 1988.
  • Cloos, Patri­cia und Tamp­ke, Jür­gen (Hrsg.): Greet­ings from the land where milk and hon­ey flows. The Ger­man emi­gra­tion to NSW 1838–1858, Can­ber­ra 1993.
  • King, Hazel: Eliz­a­beth Macarthur and her world, Syd­ney 1980.
  • Macarthur, William: Let­ters on the cul­ture of the vine, fer­men­ta­tion, and the man­age­ment of the wine in the cel­lar, Syd­ney 1844.
  • Macarthur, William: Let­ters on the cul­ture of the vine, fer­men­ta­tion, and the man­age­ment of the wine in the cel­lar, Syd­ney 1844.

100 Jahre Bauhaus — Höhepunkte in Sachsen-Anhalt

Die Eröff­nung des Bauhaus Muse­um Dessau am 8. Sep­tem­ber 2019 ist der Höhep­unkt des Jubiläum­s­jahrs 100 Jahre Bauhaus. Erst­mals ist die Samm­lung der Stiftung Bauhaus Dessau umfassend zu sehen und verbindet das Muse­um als eigen­ständi­ger, zeit­genös­sis­ch­er Ort die Bauhaus­baut­en in Dessau mit dem Stadtzen­trum.

Das Bauhaus Museum Dessau

Im Jahr 2015 hat das Architek­turkollek­tiv adden­da archi­tects aus Barcelona unter 831 Ein­re­ichun­gen den inter­na­tionalen, offe­nen Architek­tur­wet­tbe­werb gewon­nen. Nach ihrem Konzept ist ein trans­par­enten Kor­pus ver­wirk­licht wor­den, der die schwebende Black Box als Ort für die Samm­lung und das Erdgeschoss als Offene Bühne für zeit­genös­sis­che Posi­tio­nen und Wech­se­lausstel­lun­gen umfasst.

Das neue Bauhaus Muse­um © Dr. Jörg Raach

Anre­gend und umfassend präsen­tiert die Ausstel­lung „Utopie und All­t­ag — Ver­suchsstätte Bauhaus. Die Samm­lung“ Architek­turen­twürfe, Gemälde, Fotografien, Möbel, Leucht­en, Tex­tilien, Tape­ten und Schrift­typen. In the­ma­tis­chen Kapiteln zeigt sie, dass das Lehren, Gestal­ten und Bauen am Bauhaus der Verän­derung, Verbesserung und Gestal­tung der Gesellschaft dienen sollte. Anhand von Lehrer-Schüler-Paaren wird beispiel­haft gezeigt, wie wer mit wem konkret zusam­mengear­beit­et hat. So haben Moholy-Nagy mit Mar­i­anne Brandt und Gun­ta Stöl­zl mit Paul Klee sehr eng an gemein­samen Pro­jek­ten zusam­mengear­beit­et.

Wand­be­hang von Gun­ta Stöl­zl © Dr. Jörg Raach

Bauhaus in der DDR

Weniger bekan­nt und in der Ausstel­lung im Teil zur Geschichte der Bauhaus-Rezep­tion inter­es­sant präsen­tiert wird die Wieder­ent­deck­ung des Bauhaus­es in der DDR nach der Ver­fe­mu­ng in der NS-Dik­tatur und der Zeit langer Mis­sach­tung unter der SED-Herrschaft. 145000 Mark für 148 Arbeit­en von Bauhäus­lerin­nen stellte die “Galerie am Sach­sen­platz” in Leipzig der Stadt Dessau am 1. Novem­ber 1976 in Rech­nung. Von Keramik bis Möbel bis zu Feininger- und Klee-Werken, es war eine bunte Mis­chung. Aus­gestellt wur­den diese Objek­te erst­mals im Bauhaus­ge­bäude, das am 4. Dezem­ber 1976 zum 50. Jahrestag des Bauhaus­es als Wis­senschaftlich Kul­turelles Zen­trum in der DDR wieder­eröffnet wurde. Der Ankauf bildete das Fun­da­ment der heute über 49.000 Objek­te zäh­len­den Samm­lung der Stiftung Bauhaus Dessau. Sie ist nach Berlin (wo die über­wiegend auf Gropius zurück­ge­hen­den Bestände ein­er Präsen­ta­tion im erweit­erten Bauhaus-Archiv ab 2023 har­ren!) die weltweit zweit­größte Samm­lung.

Bauhaus-Häuser

Ein Muss beim Besuch Dessaus sind die dort zu sehen­den Bauhaus-Häuser. Die knapp sieben Jahre Dessauer Bauhaus (1925–1932) waren die Hoch­phase der Bauhaus-Architek­tur. Darum befind­en sich die meis­ten Bauhaus­baut­en in Dessau: das Bauhaus- Schul­ge­bäude, die Meis­ter­häuser, die Sied­lung Dessau-Törten, das Korn­haus, Haus Fieger, das Stahlhaus und das Arbeit­samt.

Schulgebäude

Das Bauhaus-Gebäude der Schule wurde 1926 fer­tig gestellt. Ent­wor­fen wurde das Gebäude vom Bauhaus­grün­der Wal­ter Gropius im Auf­trag der Stadt Dessau. Die Pläne ent­standen in seinem pri­vat­en Büro, über eine Architek­turabteilung ver­fügte das Bauhaus erst ab 1927. Die Innenausstat­tung des Gebäudes ent­stand in den Werk­stät­ten der Hochschule. Finanziell unter­stützt wurde das Pro­jekt von der Stadt Dessau, die auch das Grund­stück zur Ver­fü­gung stellte. Heute kön­nen hier bei Führun­gen die restau­ri­erten Werk­stat­träume, die Men­sa, der Fest­saal und das Direk­toren­z­im­mer besichtigt wer­den.

Direk­toren­z­im­mer © Dr. Jörg Raach

Der über­wiegend helle Anstrich des Kom­plex­es bildet einen reizvollen Kon­trast zu den dun­klen Gla­se­in­fas­sun­gen. Im Inneren wird mit unter­schiedlichen Far­ben an tra­gen­den und verklei­den­den Ele­menten die Kon­struk­tion des Baus verdeut­licht. Die Hochschule für Gestal­tung musste 1932 auf Druck der bei Gemein­de­wahlen siegre­ichen Nation­al­sozial­is­ten geschlossen wer­den. Im Krieg trafen Bomben den Kom­plex, die Schä­den repari­erte man zunächst nur not­dürftig. 1972 ist das Gebäude dann unter Denkmalss­chutz gestellt und erst­mals restau­ri­ert wor­den. Eine umfassende Sanierung erfol­gte, nach­dem die UNESCO das Bauhaus­ge­bäude zum Weltkul­turerbe erk­lärt hat­te, sie wurde 2006 abgeschlossen. In rein­sze­nierten Ate­lierz­im­mern des Bauhaus­ge­bäudes kön­nen übri­gens auch Besuch­er über­nacht­en.

Bauhaus­ge­bäude © Dr. Jörg Raach

Meisterhäuser

Par­al­lel zum Bauhaus­ge­bäude wurde Wal­ter Gropius von der Stadt Dessau mit dem Bau von drei bau­gle­ichen Dop­pel­häusern für die Bauhaus­meis­ter und einem Einzel­haus für den Direk­tor beauf­tragt. Errichtet wur­den sie in einem Kiefer­n­wäld­chen in Nähe des Schul­ge­bäudes. Ineinan­der ver­schachtelte, unter­schiedlich hohe kubis­che Kör­p­er geben den Häusern ihre Gestalt. Zur Straße hin wer­den die Dop­pel­häuser von großzügig ver­glas­ten Ate­liers geprägt, an den Seit­en lassen Glas­bän­der Licht in die Trep­pe­naufgänge.

Die Liste der Bewohner­in­nen liest sich wie ein „Who is Who“ der Mod­erne, zu ihnen gehörten neben den drei Direk­toren Wal­ter Gropius, Hannes Mey­er, Lud­wig Mies van der Rohe, Lás­zló Moholy-Nagy und Lyonel Feininger, Georg Muche, Oskar Schlem­mer, Wass­i­ly Kandin­sky und Paul Klee mit ihren Fam­i­lien. Das Direk­toren­haus wurde im Krieg zer­stört, erst vor weni­gen Jahren ist es rekon­stru­iert wor­den, allerd­ings so, dass es als Nach­bau erkennbar bleibt. Gle­ichzeit­ig wurde auch der einzige von Lud­wig Mies van der Rohe in Dessau umge­set­zte Bau wieder­hergestellt. Dabei han­delte es sich um eine Trinkhalle an der Ost­spitze der Sied­lung, die man 1970 abgeris­sen hat­te. Das restliche Ensem­ble der Meis­ter­häuser ist bere­its 1992 umfassend saniert wor­den. Durch seine Far­bigkeit fasziniert beson­ders das ursprünglich von Kandin­sky und Klee bewohnte und malerisch aus­gestal­tete Meis­ter­haus.

Saniertes Meis­ter­haus von Kandin­sky und Klee © Dr. Jörg Raach

Kornhaus

Für die weit­eren Besuche der her­aus­ra­gen­den Bauhaus-Baut­en in Dessau emp­fiehlt sich die Nutzung der Bauhaus-Buslin­ie 10. Der Bus bringt die Besuch­er von den Meis­ter­häusern zum Korn­haus, ein­er Gast­stätte in typ­is­ch­er Bauhaus-Architek­tur mit schö­nen Blick über den Elb­de­ich. Der Name erin­nert an einen his­torischen Getrei­despe­ich­er, der hier bis in die 1870er-Jahre ges­tanden hat­te.

Korn­haus © Dr. Jörg Raach

Das Arbeitsamt und die Siedlung Törten

Der Bauhaus-Bus führt von dort am Gropius-Bau des Dessauer Arbeit­samts (der mit gel­ben Ziegeln verklei­dete Stahlbau ist ein rich­tung­weisendes Beispiel für die funk­tion­al­is­tis­che Architek­tur, kennze­ich­nend ist ein vorge­lagert­er ein­stöck­iger Rund­bau mit gläsernem Shed­dach für den Pub­likumsverkehr) vor­bei in den Süden Dessaus zur Sied­lung Törten. Hier ent­stand 1928 nach Plä­nen Wal­ter Gropius eine Muster­sied­lung mit 314 Häusern, die durch sparsame Bauweise auch Arbeit­ern ein Eigen­heim mit Garten zur Selb­stver­sorgung ermöglichte. Im gle­ich­falls von Gropius ent­wor­fe­nen Kon­sumge­bäude führt eine Ausstel­lung in die Entste­hungs­geschichte der Sied­lung ein. Hier begin­nen auch täglich Führun­gen durch die Sied­lung, in der auch die vom Bauhaus-Direk­tor Hannes Mey­er geplanten fünf Lauben­ganghäuser (90 soge­nan­nte „Volkswoh­nun­gen“, hier ist auch eine Muster­woh­nung zu besichti­gen) und das 1927 fer­tiggestellte Stahlhaus (ein Stahltafel­bau von Georg Muche und Richard Paulick von 1927) zu sehen sind. Noch bis 9. Novem­ber 2019 ist die Freiraum-Ausstel­lung Unsicht­bare Orte in Dessau zu sehen. Sie führt zu Gebäu­den und Plätzen in Dessau, wo Bauhäus­lerin­nen zwis­chen 1925 und 1932 gelebt, gewirkt und gerne ihre Freizeit ver­bracht haben.

Der Einfluss der Bauhausschüler auf das Dessauer Stadtbild

Die Bauhauss­chüler waren in Dessau keine Außen­seit­er. Sie formten das Stadt­bild und prägten das gesellschaftliche Leben (unter anderem auf Bauhaus­festen). Sie gestal­teten Fas­saden und Pavil­lons für Parks, ent­war­fen Wer­be­broschüren und stat­teten Schaufen­ster aus. Mit gut 100 Dessauer Fir­men arbeit­ete das Bauhaus eng zusam­men. Und mit Möbeln und Tex­tilien hielt das Bauhaus auch in das Pri­vatleben viel­er Dessauer Einzug. An dieses nicht mehr Sicht­bare erin­nert diese Freilich­tausstel­lung an 13 im ganzen Stadt­ge­bi­et verteil­ten Bild­bänken, an denen auch über QR-Codes Hörstücke abgerufen wer­den kön­nen.

Ein Höhepunkt: Die Bauhaus-Ausstellung in der Moritzburg in Halle

Der zweite Höhep­unkt in Sach­sen-Anhalt im Jubiläum­s­jahr „100 Jahre Bauhaus“ ist die Ausstel­lung in der Moritzburg Halle: „Bauhaus Meis­ter Mod­erne — Das Come­back“, die vom 29.09.2019 — 12.01.2020 geöffnet ist. Sie vere­int hochkarätige Meis­ter­w­erke aus inter­na­tionalen Samm­lun­gen mit bis­lang sel­ten bzw. noch gar nicht gezeigten Werken aus den Muse­ums­bestän­den. Haupt­teil der Ausstel­lung ist die Rekon­struk­tion der ersten Samm­lung mod­ern­er Kun­st im Kun­st­mu­se­um Moritzburg. Bis zum Jahr 1933 galt diese Samm­lung als eine der führen­den in Deutsch­land für die zeit­genös­sis­che Kun­st – die heutige klas­sis­che Mod­erne. Das hallesche Muse­um wurde damals gle­ich­berechtigt mit der Mod­erne-Samm­lung der Berlin­er Nation­al­ga­lerie im Kro­n­prinzen­palais Unter den Lin­den genan­nt. Auf ein­er Fläche von rund 1.000 qm im 1. Obergeschoss des zen­tralen West­flügels der Moritzburg sind ca. 350 Objek­te der bilden­den und ange­wandten Kun­st zu sehen, die zwis­chen 1908 und 1938 erwor­ben wur­den. In ver­tiefend­en Kabi­net­ten wer­den Gemälde von Lyonel Feininger, Wass­i­ly Kandin­sky, Paul Klee, Georg Muche und Oskar Schlem­mer, jene Maler, die zwis­chen 1919 und 1933 als Meis­ter am Bauhaus in Weimar, Dessau und Berlin lehrten. Unter den aus­gestell­ten Werken befind­en sich zudem Gemälde, Aquarelle und Zeich­nun­gen von Ernst Lud­wig Kirch­n­er, Emil Nolde, Oskar Kokosch­ka, Erich Heck­el, El Lis­sitzky, George Grosz. Zum Teil sind die Lei­h­gaben aus den USA, Europa und Japan erst­mals über­haupt öffentlich zu sehen, zum Teil kehren sie seit den 1970er/80er Jahren erst­mals wieder nach Deutsch­land zurück. Ein­er der Höhep­unk­te der Samm­lungsrekon­struk­tion ist die Wiedervere­ini­gung von 7 der einst 11 Gemälde des Halle-Zyk­lusses von Lyonel Feininger. Zu den 3 Gemälden aus der Muse­umssamm­lung, Rot­er Turm I, Marienkirche mit dem Pfeil und Der Dom in Halle, kom­men hinzu: Am Trödel, Marienkirche I, Rot­er Turm II und Mark­tkirche in Halle. In ein­er attrak­tiv­en Alt­stadtroute lassen sich die his­torischen Per­spek­tiv­en der Feininger-Gemälde via Ste­len­in­fos und Audiowalk mit der heuti­gen Sicht verble­ichen (feininger-halle.de).

Gropius virtuell erleben

Ein beson­deres virtuelles Muse­um­ser­leb­nis bietet die Präsen­ta­tion von Wal­ter Gropius‘ Entwurfs für ein Kul­tur- und Sportzen­trum für Halle, die „Stadtkro­ne“. 1927 nahm Wal­ter Gropius am Architek­tur­wet­tbe­werb der Stadt Halle (Saale) für diese mod­erne „Stadtkro­ne“ teil. Gropius‘ Entwurf wurde mit keinem Preis bedacht. Er war zu visionär und sein­er Zeit voraus. Dieser geplante Baukom­plex wurde nie real­isiert. Dank ein­er Koop­er­a­tion mit dem Stu­di­en­gang Multimedia|VR-Design der Burg Giebichen­stein Kun­sthochschule Halle mith­il­fe mod­ern­er Vir­tu­al-Real­i­ty-Tech­nolo­gie ist erst­mals das Stadtkro­nen-Gelände sowie vor allem das von Wal­ter Gropius ent­wor­fene Kun­st­mu­se­um bege­hbar. In ein­er beein­druck­enden virtuellen Präsen­ta­tion kann Gropius‘ visionär­er Muse­ums­bau mit ein­er Ausstel­lungs­fläche von 3.000 qm durch­schrit­ten wer­den. Im Inneren dieses beispiel­haften Muse­um­spro­jek­tes des Neuen Bauens ent­fal­tet sich die kom­plette Samm­lung der Mod­erne des halleschen Muse­ums, wie sie zum einen bis 1937 bestand und zum anderen mit­tels der orig­i­nalen Werke heute nicht mehr voll­ständig rekon­stru­ier­bar ist. Dafür wur­den nahezu 500 Kunst­werke ges­can­nt, fotografiert und in 3D mod­el­liert sowie in die neuen virtuellen Ausstel­lungsräume inte­gri­ert.

Bauhaus auf Burg Giebichenstein in Halle

Bedeu­tend weit über Halle hin­aus ist die renom­mierte Design- und Kun­sthochschule Burg Giebichen­stein, eine ehe­ma­lige Handw­erk­er­schule, die ab 1915 von Paul Thier­sch nach den Grund­sätzen des Deutschen Werk­bun­des reformiert wurde. Der vom Bauhaus kom­mende Bild­hauer Ger­hard Mar­cks wirk­te hier und schuf die ein­drucksvollen Tier­skulp­turen an der Giebichen­stein­brücke. Für das Neue Bauen sind in Halle weg­weisend: die vom Architek­ten Wal­ter Tuten­berg 1928 errichtete Groß-Garage Süd, sie gehört mit ihren 150 Stellplätzen auf fünf Parkdecks und ihrer damals hochmod­er­nen Aufzugsan­lage zu den ältesten Parkhäusern Deutsch­lands; die Franziskan­erkirche „Zur Heilig­sten Dreieinigkeit“ des Architek­ten Wil­hem Ulrich, eine der ersten Kirchen ohne klas­sis­chen Lang­haus und Kirch­turm, son­dern sech­seck­igem Grun­driss und kup­pelar­tigem Mit­te­lauf­bau.

Bauhaus in Merseburg

Nicht weit von Halle ent­fer­nt bietet die ehe­ma­lige Res­i­den­zs­tadt Merse­burg neben ihrem ein­drucksvollen Schlos­sare­al auch an Neuem Bauen inter­essierten Besuch­ern ein reizvolles Ziel. 2019 wird das Friedrich Zollinger Jahr began­gen. Von 1918 bis 1930 war der Architekt in Merse­burg Stadt­bau­rat und konzip­ierte einen Bebau­ungs­plan für die von Krieg und Woh­nungsnot geze­ich­nete Stadt. Ab 1922 ent­standen unter sein­er Regie zehn neue Stadtvier­tel, die mit Hil­fe sein­er eige­nen­twick­el­ten Bautech­nolo­gie (Schüt­t­be­ton­bauweise und spitz- und rund­bo­gen­för­mige Dachgewölbe aus maschinell vor­pro­duzierten Holzbret­tern) und Beteili­gung der kün­fti­gen Bewohn­er Vor­bild­charak­ter haben. Rundgänge zu den zahlre­ich erhal­te­nen Zollinger-Sied­lun­gen und öffentliche Baut­en wie dem ehe­ma­li­gen Gesund­heit­samt sind über Kul­turhis­torische Muse­um Schloss Merse­burg buch­bar.

Mitternächtliche Begegnung mit dem Golem

Vorhin bekam ich eine SMS: „Tre­f­fen heute um Mit­ter­nacht an der syn­a­goga staro“. Das kam mir komisch vor: “staro” passt doch vom Genus her gar nicht mit “syn­a­goga” zusam­men. Wo soll über­haupt die „Alte Syn­a­goge“ sein?

Auch der Absender war mir unbekan­nt. Die Han­dynum­mer war unter­drückt und es hat­te auch nie­mand einen Gruß hin­ter­lassen. Trotz­dem bildete ich mir ein, zu wis­sen, wer dahin­ter steckt. Das ganze roch mir arg nach Hon­sa, der oft auf solche Ideen kam.

Ich zer­brach mir nicht weit­er den Kopf. Das ehe­ma­lige Juden­vier­tel ist nicht groß, seit­dem es vor 100 Jahren assaniert wurde. Auf dem Weg in die Stadt — mein Hotel liegt ziem­lich weit draußen — las ich aus gegeben­em Anlass im „Golem“ von Gus­tav Meyrink. Um 23 Uhr habe ich im Restau­rant „Sedm konšelů“ in der Žate­cká 10 zu Abend gegessen. Es hat sich zu ein­er Art Tra­di­tion entwick­elt, dass ich immer, wenn ich in Prag bin, dor­thin zum Ente­nessen gehe. Zwar war die gebratene Ente — wie immer, wenn man nicht zur Lunchzeit kam — schon aus, aber es gab genug anderes auf der Speisekarte. Mir ist alles mit Knedlicky recht. Von der Met­ro­sta­tion Staroměst­ská aus ist das Restau­rant gut zu erre­ichen.

Im Restau­rant hat­te ich das ungewisse Gefühl, von jeman­den beobachtet zu wer­den. Ich beachtete es nicht weit­er, doch während ich anschließend die Zate­cká ent­lang gehe, ver­stärkt sich dieser Ein­druck. Gemesse­nen Schrittes laufe ich einige Meter und drehe mich dann ruckar­tig um: Die Straße ist völ­lig leer. Diese Ver­lassen­heit schlägt mir wie etwas Unglück­seliges auf den Magen. Die Dunkel­heit der Nacht liegt auf der Umge­bung, als wolle sie etwas ver­ber­gen. Das mat­te Licht der Straßen­later­nen kommt dage­gen nicht an. Beina­he glaube ich, dort ein Gesicht aus­machen zu kön­nen. Ich stiere in die Dunkel­heit, um etwas zu erken­nen. Da sehe ich, wie sich etwas bewegt. Ein dun­kler Schat­ten, der riesen­haft auf mich zukommt. Mein Atem stockt. Abrupt reiße ich meinen Blick von der Stelle los und set­ze meinen Weg zügig fort. Wohin gehe ich eigentlich? Jet­zt taucht vor mir eine Syn­a­goge auf.

Pinkassy­n­a­goge © Sophia Höff

In diesem schumm­rig gel­ben Licht kann ich sie kaum erken­nen. In den Fen­stern spiegeln sich die Straßen­later­nen wie grim­mige Augen. Kön­nte das die „Alte Syn­o­goge“ sein? Ich ziehe mein Handy aus der Hand­tasche und google hek­tisch nach den Syn­a­gogen in der Josef­sstadt. Es han­delt sich um die Pinkassy­n­a­goge. Rasch über­fliege ich die Beschrei­bung: Die Pinkassy­n­a­goge wurde 1479 von Rab­bi Pinkas als pri­vate Syn­a­goge gegrün­det und im 16. Jahrhun­dert durch Ele­mente im Renais­sances­til erweit­ert…

Diese Syn­a­goge scheint mir nicht alt genug zu sein, als dass man sie „Alte Syn­a­goge“ beze­ich­nen würde. Im Rück­en spüre ich, wie mich etwas behar­rlich belauert. Vom Ein­gang der Pinkassy­n­a­goge aus gehe ich die Široká ger­adeaus weit­er. Links biege ich in die Meiselo­va ein.

Maisel­sy­n­a­goge  © Sophia Höff

Bald fällt mir ein Gebäude auf, das hin­ter Baugerüsten ver­steckt imposant in die Höhe ragt. Den David­stern trägt es selb­st­be­wusst vor sich her. Bei Google lese ich, dass es die Maisel­sy­n­a­goge ist. Sie wurde im 16. Jahrhun­dert durch den wohlhaben­den Banki­er und Bürg­er­meis­ter Mordechai Maisel erbaut.

Auch hier kann ich Hon­sa nir­gends ent­deck­en. Langsam beginne ich daran zu zweifeln, ob er die SMS tat­säch­lich geschrieben hat. Um mich herum gibt es nur Leere und Fin­ster­n­is. An der Straße­necke höre ich etwas über das Pflaster stolpern. Ich zucke zusam­men. Mein Blick erhascht ger­ade noch, wie eine dun­kle Sil­hou­ette hin­ter ein­er Haus­fas­sade ver­schwindet. Anges­pan­nt laufe ich auf die Stelle zu, wo die Gestalt ges­tanden hat, denn irgen­det­was liegt dort auf dem Boden. Instink­tiv greife ich danach: Es ist eine Hand, trock­en, staubig. Sie ist in ein­er grotesken Greifhal­tung erstar­rt. Sie beste­ht aus Lehm. Ver­dutzt blicke ich auf diesen Fremd­kör­p­er, der schw­er in mein­er Hand liegt. Ich wage nicht, ihn auf den Boden fall­en zu lassen, und lege ihn wie ein Klein­od sorgsam dor­thin zurück, wo ich ihn gefun­den habe.

Ohne darauf zu acht­en, wohin ich gehe, finde ich mich unverse­hens auf der Široká wieder und laufe ger­adeaus auf die Vězeňská zu. Ich füh­le mich, als wäre die Gren­ze zwis­chen Traum und Wirk­lichkeit aufgelöst. Einge­hüllt in mattes, schlaftrunk­enes Licht ist alles selt­sam ent­fremdet. Mir ist, als ob ich träume.

Kaf­ka-Denkmal  © Sophia Höff

Da taucht plöt­zlich ein Mann vor mir auf! Wo sich der Kopf befind­en sollte, sitzt neck­isch ein Män­neken. Überdeut­lich prägt sich mir ein, dass ihm eine Hand fehlt. Ich muss an die Lehm­hand denken, die auf dem Boden lag…

“Der Golem!”, schießt es mir durch den Kopf. Er ist das unfer­tige Geschöpf, das von Men­schen­hand aus Lehm geschaf­fen wurde. Es ist wed­er lebendig noch tot. Nur durch geheimnisvolle Formeln kann es belebt wer­den. Ich zwinge mich dazu, ratio­nal zu sein, und sage immer wieder vor mich hin: “Das ist bloß eine Stat­ue!”

Die Spanis­che Syn­a­goge, die neben der Stat­ue ste­ht, beachte ich gar nicht. Sie wurde im 19. Jahrhun­dert an der Stelle erbaut, wo im 11. Jahrhun­dert eine byzan­ti­nis­che Syn­a­goge stand.

Schlafwan­del­nd streife ich weit­er durch die Gassen. Gri­massen glotzen von den Haus­fas­saden herab.

Josef­s­tadt  © Sophia Höff

Von der Vězeňská irre ich zurück auf die Široká und biege in die Meiselo­va nach links ein. Dort tre­ffe ich auf eine andere Syn­a­goge. Google ver­rät mir, dass es die älteste Syn­a­goge Europas ist: Die Alt­neusy­n­a­goge wurde 1275 erbaut. Den Namen trägt sie, weil es zur Zeit ihrer Erbau­ung bere­its eine ältere Syn­a­goge gab und im 16. Jahrhun­dert eine eine neue Syn­a­goge gebaut wurde. Sowohl die Alte Syn­a­goge als auch die Neue Syn­a­goge wur­den im Zuge der Assanierung zer­stört; nur die Alt­neusy­n­a­goge blieb erhal­ten.

Bestürzt lese ich den Satz noch ein­mal: Es gibt keine Alte Syn­a­goge. Stand denn nicht in der SMS, dass wir uns an der Alten Syn­a­goge tre­f­fen? Schla­gar­tig wird mir die tschechis­che Beze­ich­nung der Alt­neusy­n­a­goge bewusst: Staronová syn­a­goga. In der SMS stand, dass wir uns an der syn­a­goga staro… tre­f­fen. Gemeint ist staronová. Hier soll ich ihn tre­f­fen! Aber warum brach die SMS an dieser Stelle ab?

Ich drehe mich suchend um. Da bemerke ich, dass ein Mann direkt hin­ter mir ste­ht. Ich bringe nur einen stum­men Schrei her­vor. Ich kann in der Dunkel­heit das Gesicht nicht erken­nen. Dessen Klei­dung ist alt­modisch und abgewet­zt. Unge­lenk bewegt sich sein Arm nach oben. Wie geban­nt starre ich auf seine Hand. In der Dunkel­heit wirkt sie fahl und grob­schlächtig. Unver­mit­telt greift sie fest an meinen Hals. Entset­zt entwinde ich mich seinem Griff.

Ich renne kopf­los in eine Gasse links von der Alt­neusy­n­a­goge hinein. Es kommt mir vor, als würde ich einen Tun­nel ent­lang laufen, der nur in eine Rich­tung führt.

Josef­s­tadt © Sophia Höff

Wie das Licht die Mot­ten anzieht, stürze ich auf das Haus am Ende der Gasse zu. Jeden Moment fürchte ich, den harten, unbarmherzi­gen Griff an meinem Nack­en zu spüren.

Klausen-Syn­a­goge © Sophia Höff

Ich kann keinen Gedanken fassen. Stattdessen füh­le ich meinen Herz­schlag dröh­nend gegen meine Schläfen pochen. Dieses Pochen kommt mir vor, wie die pras­sel­nden Körn­er ein­er ver­siegen­den San­duhr.

Ich atme hastig und doch bekomme ich kaum Luft. Am Ende der Gasse angekom­men, erkenne ich, dass dort ein Fried­hof ist.

Am Ende des Tun­nels gibt es kein Licht. Der Tor­ein­gang ist ver­schlossen und dahin­ter ist nichts als Dunkel­heit. Mir wird Schwarz vor Augen und ich sinke vor dem Tor­ein­gang des Fried­hofes zusam­men.

Jüdis­ch­er Fried­hof © Sophia Höff

Das Pochen wird lauter. Ich spüre die weichen Pol­ster des Sofas unter mir. Auf dem Couchtisch liegt “Der Golem”. Draußen höre ich jeman­den meinen Namen rufen und gegen das Tür­blatt pochen. Das ist Hon­sa, denke ich. Langsam däm­mert mir, das ich mit ihm verabre­det bin und auf ihn gewartet habe. Ich muss dabei eingeschlafen sein. Es ist erstaunlich, dass sich mir die Josef­sstadt so detail­liert ins Bewusst­sein einge­bran­nt hat.

Zu Besuch bei Prager deutschen Schriftstellern

Die mod­erne Lit­er­atur­wis­senschaft hat für das Werk bes­timmter Autoren die Beze­ich­nung „Prager deutsche Lit­er­atur“ einge­führt. Diesen Autoren ist es gemein­sam, dass sie Ende des 19. Jahrhun­derts in Prag geboren wur­den und größ­ten­teils jüdisch waren.

Sie führten ein Leben in drei Wel­ten: in der tschechis­chen, der deutschen und in der jüdis­chen Kul­tur. Das Zusam­men­tr­e­f­fen dieser Kul­turen ver­lief nicht unbe­d­ingt rei­bungs­los: In Prag lebten mehrheitlich Slawen. Zunehmend unzufrieden mit ihrer unter­ge­ord­neten Posi­tion in der k. u. k. Monar­chie fol­gten viele Tschechen nation­al­is­tis­chen Bewe­gun­gen, die 1848 im Sklawenkongress und im Prager Pfin­gsauf­s­tand mün­de­ten. Für das Zusam­men­leben zwis­chen der slaw­is­chen und der deutschsprachi­gen Bevölkerung ergaben sich daraus Span­nun­gen. Nach­dem die nation­al­is­tis­chen Bestre­bun­gen seit­ens des hab­s­bur­gisch-lothringis­chen Herrscher­haus­es lange Zeit unter­drückt wor­den waren, wurde Böh­men 1871 bes­timmte Rechte zuge­s­tanden. Das führte zu einem ökonomis­chen Auf­schwung, von dem sicher­lich auch jüdis­che Kau­fleute prof­i­tierten. Ver­bun­den mit einem aufkeimenden Anti­semitismus lieferte diese Entwick­lung zusät­zlich­es Kon­flik­t­po­ten­tial. Mit der Inva­sion der Nation­al­sozial­is­ten 1939 nahm die Prager deutsche Lit­er­atur ein abruptes Ende.

Auf der anderen Seite kann die Zeit um die Jahrhun­der­twende als ein Höhep­unkt in der Geschichte ange­se­hen wer­den: Prag flo­ri­erte sowohl ökonomisch als auch kul­turell und stieg zur Welt­metro­pole auf. Das ver­dank­te sie der bürg­er­lichen intellek­tuellen Elite, die sich nicht zulet­zt aus den Prager deutschen Autoren rekru­tierte. Diese kon­nten durch ihre mehrsprachige Erziehung die mul­ti­kul­turelle Atmo­sphäre Prags in beson­der­er Weise erleben. Durch ihre Kreativ­ität verdichteten sie ihre Erfahrun­gen zu großer Lit­er­atur. So haben sie let­ztlich alle drei Kul­turen bere­ichert.

Lassen Sie uns gemein­sam die Geburtshäuser einiger dieser Autoren aufzusuchen, auch wenn die Chance, die Autoren dort anzutr­e­f­fen eher ger­ing ist.

Treffpunkt: Kavárna Arco (12:00 Uhr)

Begin­nen Sie den Stadtrundgang bei der Kavár­na Arco in der Dlážděná 1004/6 Ecke Hybern­ská 1004/16, 110 00 Pra­ha 1.

Zur Hybern­ská gelan­gen Sie, indem Sie am Masaryko­vo nádraží aussteigen und die Havlíčko­va nach Süden gehen, d. h. vom Haup­taus­gang des Bahn­hofs aus nach links. Lei­der ist das Café heute geschlossen.

Kavár­na Arco © Sophia Höff

In diesem Café traf sich regelmäßig der soge­nan­nte „Prager Kreis“, um über Lit­er­atur und Philoso­phie zu debat­tieren. Dazu gehörten u. a. Max Brod und Franz Kaf­ka, die wir später besuchen wer­den. Auch Franz Wer­fel zählt im weit­eren Sinne zum „Prager Kreis“.

Franz Werfel (12:05 Uhr)

*10. Sep­tem­ber 1890 in Prag, Monar­chie Öster­re­ich-Ungarn † 26. August 1945 in Bev­er­ly Hills, Kali­fornien, Vere­inigte Staat­en

Geburtshaus von Franz Wer­fel © Sophia Höff

Unser erster Haus­be­such gilt Franz Wer­fel. Er wurde in der Havlíčko­va 1043/11; 110 00 Pra­ha-Pra­ha 1 geboren. Vom Café Arco aus gehen Sie dieselbe Straße einige Meter zurück. In der Haus­num­mer 1043/11 wurde Franz Wer­fel geboren.

Plakette für Wer­fel © Sophia Höff

Wer­fel kam als Sohn eines wohlhaben­den Hand­schuh­fab­rikan­ten zur Welt. Die Fam­i­lie war jüdisch, doch sein christlich­es Kin­der­mäd­chen und der Besuch der eben­falls christlichen Pri­vatschule der Piaris­ten prägten ihn.
Er war befre­un­det mit Max Brod, der dessen Tal­ent erkan­nte und förderte. 1929 kon­vertierte Wer­fel zum Katholizis­mus, um Alma Mahler heirat­en zu kön­nen. Das stra­pazierte die Fre­und­schaft zu Brod, der selb­st dem Zion­is­mus nah­e­s­tand. Zu Wer­fels Hauptwerken zählt „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ (1933).

Max Brod (12:20 Uhr)

* 27. Mai 1884 in Prag, Monar­chie Öster­re­ich-Ungarn † 20. Dezem­ber 1968 in Tel Aviv, Palästi­na

Max Brod kam nicht weit von Wer­fels Geburtshaus ent­fer­nt zur Welt, näm­lich in der Haš­tal­ská 1031/25, 110 00 Pra­ha-Pra­ha 1.

Geburtshaus von Max Brod © Sophia Höff

Gehen Sie die Havlíčko­va ger­adeaus weit­er und biegen Sie in die näch­ste Quer­straße, die Na Poříčí nach links ein. Diese führt Sie auf den Náměstí Repub­liky. Vom Platz aus biegen Sie nach rechts in die Rev­oluční ein. Laufen Sie ger­adeaus, bis Sie links zur Dlouhá kom­men. Von dort biegen Sie rechts in die Hradeb­ní ein und dann links in die K Haš­talu. Daraufhin laufen Sie direkt auf Brods Geburtshaus in der Haš­tal­ská zu.

Max Brod wurde in eine großbürg­er­liche jüdis­che Fam­i­lie hineinge­boren. Früh kam er mit Lit­er­atur und klas­sis­ch­er Musik in Berührung. Er begann ein Juras­tudi­um an der deutschsprachi­gen Karl-Fer­di­nands-Uni­ver­sität und schloss während­dessen Fre­und­schaft mit seinem Kom­mili­to­nen Franz Kaf­ka. Bere­its 1906 veröf­fentlichte er eine Nov­el­len­samm­lung und baute in den fol­gen­den Jahren sein Renom­mée als Schrift­steller aus.

Er besaß die Urteil­skraft, das lit­er­arische Tal­ent ander­er Autoren zu erken­nen. Sein Erfolg ermöglichte es ihm, deren Kar­riere zu fördern. So ist er auch als Ent­deck­er und Men­tor ver­schieden­er Autoren bedeut­sam. Darüber hin­aus kom­ponierte er selb­st Musik. 1939 emi­gri­erte er nach Palästi­na.

Plakette für Max Brod © Sophia Höff

Franz Kafka (12:40 Uhr)

* 3. Juli 1883 in Prag, Monar­chie Öster­re­ich-Ungarn † 3. Juni 1924 in Klosterneuburg-Kier­ling, Öster­re­ich

Geburtshaus von Franz Kaf­ka © Sophia Höff

Franz Kaf­ka war eng mit Max Brod und Franz Wer­fel befre­un­det. Nach ihm wurde der Platz vor seinem Geburtshaus benan­nt: Náměstí Franze Kafky 24/3, 110 00 Pra­ha-Pra­ha 1. Von Brods Geburtshaus aus laufen Sie die Haš­tal­ská nach links. Anschließend fol­gen Sie der Kozí und der Dlouhá in der sel­ben Rich­tung bis zum Staroměst­ské náměstí. Gehen Sie auf dem Platz gle­ich nach rechts an der Pařížská und der Kirche „Svatého Mikuláše“ vor­bei. Hin­ter der Kirche befind­et sich der Náměstí Franze Kafky.

Plakette für Kaf­ka © Sophia Höff

Kaf­ka entstammt ein­er jüdis­chen Kauf­manns­fam­i­lie. Nach dem Besuch der Deutschen Knaben­schule und dem deutschsprachi­gen Staats­gym­na­si­um imma­trikulierte er sich nach mehreren Fach­wech­seln für Jura an der Karl-Fer­di­nands-Uni­ver­sität. Nach dem Abschluss arbeit­ete er für ver­schiedene Ver­sicherungs­ge­sellschaften.
Sein unverkennbar­er Schreib­stil und seine sur­realen Fan­tasieland­schaften macht­en ihn als Autor welt­berühmt. Die Mehrzahl sein­er Werke wurde jedoch posthum veröf­fentlicht, was teils an seinem selb­stkri­tis­chen Per­fek­tion­is­mus und teils an seinem frühen Tod lag.

Egon Erwin Kisch (12:50 Uhr)

* 29. April 1885 in Prag, Monar­chie Öster­re­ich-Ungarn † 31. März 1948 in Prag, Tschechisch-Slowakische Repub­lik

Egon Erwin Kisch wurde als Egon Kisch in eine jüdis­che Fam­i­lie hineinge­boren. Sein Vater war Tuch­mach­er. In der Melantri­cho­va 475/16 / Kožná 475/1, 110 00 Pra­ha-Pra­ha 1, wo er geboren wurde, befand sich im Erdgeschoss die Tuch­hand­lung des Vaters.

Geburtshaus von Egon Erwin Kisch © Sophia Höff

Gehen Sie zurück zum Staroměst­ské náměstí auf die ent­ge­genge­set­zte Seite des Alt­städter Rathaus­es. Dort biegen Sie in die Melantri­cho­va ein.

Plakette für Kisch © Sophia Höff

Zunächst besuchte Kisch eine Schule im Serviten­kloster zu St. Michael und wech­selte dann auf die Piaris­ten­schule, die auch Franz Wer­fel besucht hat. Als er sein erstes Gedicht veröf­fentlichte, wählte er das Pseu­do­nym Erwin, da es seine Schule ver­bot in der Presse zu pub­lizieren.
Später begann er wie Brod und Kaf­ka an der Karl-Fer­di­nand­suni­ver­sität zu studieren. Allerd­ings besuchte er Vor­lesun­gen zur Geschichte der deutschen Lit­er­atur und zur Geschichte der mit­te­lal­ter­lichen Philoso­phie. Nach Ableis­ten des Mil­itär­di­en­stes arbeit­ete er für das „Prager Tag­blatt“ und dann für die Prager Tageszeitung „Bohemia“. Er lernte Brod, Kaf­ka, und Rilke ken­nen. Sowohl als Jour­nal­ist als auch als bel­letris­tis­ch­er Autor hat er sich einen Namen gemacht.

Rainer Maria Rilke (13:05 Uhr)

* 4. Dezem­ber 1875 in Prag, Monar­chie Öster­re­ich-Ungarn † 29. Dezem­ber 1926 im Sana­to­ri­um Val­mont bei Mon­treux, Schweiz

Rain­er Maria Rilke wurde als René Karl Wil­helm Johann Josef Maria Rilke als Sohn eines Bah­nar­beit­ers und ein­er jüdis­chen Fab­rikan­ten­tochter geboren. Er wuchs in der Jindřišská 889/17, 110 00 Pra­ha 1‑Nové Měs­to auf.

Geburtshaus von Rain­er Maria Rilke © Sophia Höff

Gehen Sie auf der Melantri­cho­va weit­er in Rich­tung des Wen­zel­splatzes. Über­queren Sie Na můstku und laufen Sie auf dem Václavské náměstí bis zur Jindřišská, die sich auf der linken Seite befind­et. An seinem Geburtshaus befind­et sich keine Gedenk­tafel, da die heuti­gen Besitzer das ablehnen.

Stattdessen wurde eine Gedenk­tafel an der ehe­ma­li­gen Piaris­ten-Schule in der Na příkopě 16 ange­bracht.

Plakette für Rilke © Sophia Höff

Rilkes Mut­ter ver­suchte den Tod sein­er älteren Schwest­er zu kom­pen­sieren, indem sie ihn während sein­er ersten Leben­s­jahre wie ein Mäd­chen auf­zog. René bedeutet „der Wiederge­borene“. Anfangs besuchte er wie andere Vertreter der Prager deutschen Lit­er­atur die Piaris­ten-Schule. Sein Vater, der gerne eine mil­itärische Kar­riere ver­fol­gt hätte, schick­te den Sohn mit zehn Jahren an eine Mil­itär­re­alschule in Öster­re­ich. Sechs Jahre später musste Rilke die mil­itärische Aus­bil­dung gesund­heits­be­d­ingt aufgeben. Eben­so scheit­erte der Ver­such an ein­er Han­del­sakademie einen Abschluss zu erwer­ben, dies­mal wegen ein­er ver­bote­nen Liai­son. Daraufhin nahm Rilke in Prag Pri­vatun­ter­richt und legte sein Abitur ab. Anschließend studierte er in München Jura.
In seinen Gedicht­en erre­ichte er eine ein­ma­lige Aus­druck­skraft. Daneben ver­fasste er auch den Roman „Die Aufze­ich­nun­gen des Malte Lau­rids Brigge“ (1910).

Auf den Spuren des niederländischen Königshauses

Die Nieder­lande haben so viel mehr bieten als das von Besuch­ern über­füllte Ams­ter­dam. Reist man auf den Spuren des Haus­es Oranien-Nas­sau durch die Nieder­lande, lernt man nicht nur den Regierungs- und Par­la­mentssitz in Den Haag ken­nen, son­dern ent­deckt auch die beza­ubern­den Städte Bre­da, Delft und Leeuwar­den.

Das Adels­geschlecht Oranien-Nas­sau hat die Nieder­lande als Staat begrün­det und prägt es seit 1815 als Kön­i­gre­ich bis heute. Jed­er Statthal­ter, König und jede Köni­gin hat sich auf seine oder ihre Weise für die Nieder­lande einge­set­zt, beispiel­sweise im Kampf um Frei­heit und Unab­hängigkeit gegenüber Spanien und Frankre­ich, auf den Gebi­eten Kun­st und Kul­tur oder für eine stärkere Ver­bun­den­heit der unter­schiedlichen Lan­desteile. An ver­schiede­nen Orten in Hol­land hat die reiche Geschichte des Haus­es Oranien-Nas­sau ihre Spuren hin­ter­lassen: Paläste, Grab­mäler, his­torische Orte und Denkmäler erzählen die Geschicht­en des königlichen Hol­land.

Ursprünge in Breda

Die ersten Spuren des königlichen Haus­es Oranien-Nas­sau sind in der Stadt Bre­da im Süd­west­en der Nieder­lande zu find­en. Johan­na van Pola­nen aus Bre­da heiratet im Jahr 1403 den Deutschen Engel­brecht I. von Nas­sau-Dil­len­burg. Durch ihren großen Hof­s­taat und ihr Inter­esse für Kul­tur, Kun­st und Handw­erk sorgten die Nas­saus im 15. und 16. Jahrhun­dert für eine blühende Wirtschaft. Als der Sohn Hein­richs III. das Fürsten­tum Oranien in Frankre­ich erbt, wird dieser der erste Fürst von Oranien-Nas­sau. Sein Cousin und Erbe wurde der berühmteste Spross der Bredaer Oranien-Nas­saus: Wil­helm I. von Oranien. Bre­da ist die wichtig­ste Nas­sau-Stadt Hol­lands und deshalb auch eine Stadt mit beein­druck­enden Bau­denkmälern.

Begi­nen­hof in Bre­da

Die Vor­fahren des nieder­ländis­chen Königshaus­es haben aus Bre­da in der Zeit von 1403 bis 1568 eine reiche Stadt mit imposan­ten Gebäu­den gemacht. Auch heutzu­tage beein­druck­en viele Bau­denkmäler wie die Grote Kerk, der Dom im Stil der Bra­ban­ter Gotik von 1420, das Schloss und der idyl­lis­che Begi­nen­hof das Stadt­bild. Vom 97 Meter hohen Turm der Grote Kerk kann der Besuch­er die fan­tastis­che Aus­sicht über diese sehr reizvolle Stadt und Ihr Umland genießen. Im Begi­jn­hof-Muse­um in Haus Num­mer 29 kann der Besuch­er alles über das Leben der Begi­nen Bredas erfahren. Im Stadtschloss, dem Kas­teel von Bre­da lebten mehrere Jahrhun­derte lang die Her­ren von Bre­da. Am Span­jaards­gat, dem „Spanier­loch“ am Schloss soll 1590 die List mit einem Torf­schiff stattge­fun­den haben, mit­tels der­er die Spanis­chen Besatzer aus Bre­da ver­trieben wur­den. Im Laufe der Jahrhun­derte wurde das Gebäude umge­baut und erweit­ert und seit 1826 ist hier die Königliche Mil­itärakademie unterge­bracht. Das Schloss ist deshalb nur im Rah­men ein­er Führung zu besichti­gen, organ­isiert vom Frem­den­verkehrsamt (VVV) Bre­da. Die Fürsten von Nas­sau zogen natür­lich auch andere Adelige an, die sich in Bre­da nieder­ließen, wodurch die zahlre­ichen schö­nen Hofhuizen in der Stadt ent­standen. Diese imposan­ten Gebäude hat­ten als beson­dere Merk­male einen L- oder U‑förmigen Grun­driss mit Innen­hof, Back­ste­in­fas­saden, spät­go­tis­che Trep­pengiebel. Acht dieser Hofhäuser sind in Bre­da noch erhal­ten.

Städtis­che Muse­um Bre­da

Das Städtis­che Muse­um befind­et sich im ehe­ma­li­gen Oude­man­nen­huis (Alt­män­ner­haus), einem der ältesten Gebäude Bredas. Bis 1954 lebten hier ältere Män­ner. Die denkmalgeschützte Fas­sade zeigt Abbil­dun­gen von Thi­js und Geert, zwei der bekan­ntesten Bewohn­er des Oude­man­nen­huis. Die ständi­ge Samm­lung des Stedelijk Muse­um Bre­da erzählt die Geschichte der Stadt. Die Gemälde mit Stad­tan­sicht­en zeigen die Entwick­lung Bredas von ein­er Fes­tungsstadt zur heuti­gen sehr lebendi­gen, attrak­tiv­en Stadt, die neben der Alt­stadt auch stadt­na­he Quartiere bietet, die von namhaften Architek­ten wie Rem Kool­haas gestal­tet wur­den.

Ganz beson­ders reizvoll sind Boots­fahrten rund um die Stadt bis zum 2007 wieder angelegten Stadthafen.

Hafen von Bre­da

Glanzzeiten in Delft

Mit seinen 15 Kilo­me­ter lan­gen Gracht­en ist die beson­ders char­mante Stadt Delft dur­chaus mit Ams­ter­dam ver­gle­ich­bar, allerd­ings ist das Stadt­bild hier weniger pom­pös, zugänglich­er. Die Geschichte der Stadt reicht bis in das Jahr 1075 zurück. 1654 wurde jedoch ein Großteil der mit­te­lal­ter­lichen Stadt durch die Explo­sion des Arse­nals zer­stört. Am Ende des 17. Jahrhun­derts wurde das Zen­trum wieder aufge­baut und sei­ther hat sich in der his­torischen Alt­stadt wenig verän­dert. An den von Bäu­men gesäumten Gracht­en ste­hen noch die kleinen Häuser mit ihren so unter­schiedlichen Fas­saden, der Markt mit dem Renais­sance-Rathaus und der Nieuwe Kerk ist der Mit­telpunkt der Stadt.

Rathaus von Delft

Delft war Geburts- und Wohnort des her­aus­ra­gen­den nieder­ländis­chen Malers Jan Ver­meer (1632 – 1675). An ihn erin­nert mit Hil­fe mod­ern­er Medi­en das Ver­meer Cen­tre Delft, das nach dem his­torischen Vor­bild des früheren St. Lucas Gilde­haus­es der Maler und Kün­stler 2007 erbaut wurde. Besuch­er kön­nen die Gemälde in lebens­großer Ver­größerung sehen, die Arbeitsweise im Ate­lier ergrün­den und die Geschicht­en hin­ter den Gemälden erfahren. Welt­bekan­nt ist Delft auch für sein Steingut, das sich aus der Majoli­ca entwick­elte, die im 16. Jahrhun­dert mit ital­ienis­chen Ein­wan­der­ern in die Nieder­lande kam, vor allem Wand­fliesen ent­standen. Seit dem 17. Jahrhun­dert wird zudem Porzel­lan nach chi­ne­sis­chen Vor­bild hergestellt. In der 1653 gegrün­de­ten Fir­ma Roy­al Delft wird in der orig­i­nalen Fab­rik nach alter Tra­di­tion Keramik im Delfter Blau von Hand pro­duziert, Besuch­er sind willkom­men. — Ab 1572 resi­dierte Wil­helm I. im heuti­gen Prin­sen­hof in Delft, jet­zt Muse­um. Von Delft aus leit­et er erfol­gre­ich den Auf­s­tand gegen die Spanier. 1579 wird die ‚Utrechter Union‘ vere­in­bart und von Wil­helm I. unterze­ich­net, damit ist der Grund­stein für die Nieder­lande gelegt. 1584 wird Wil­helm von Oranien — wegen seinem großen Ein­fluss auf die Gestal­tung eines Lan­des mit dem Titel ‚Vater des Vater­lan­des‘ geehrt — in Delft im Alter von 51 ermordet und in der Neuen Kirche (Nieuwe Kerk) in Delft beige­set­zt. Sei­ther find­en viele Fam­i­lien­mit­glieder des königlichen Haus­es hier ihre let­zte Ruh­estätte. In der Nieuwe Kerk aus dem Jahre 1496 befind­et sich neben der königlichen Gruft der Oranier auch das imposante Mau­soleum Wil­helms von Oranien. Die Alte Kirche (Oude Kerk) mit ihrem charak­ter­is­tis­chen schiefen Turm wurde 1240 erbaut. Beson­ders sehenswert sind die reich verzierte Kanzel aus dem Jahr 1548 und die 27 Glas­malfen­ster.

Residenzstadt Den Haag

Seit dem 16. Jahrhun­dert ist Den Haag die Hof­s­tadt der Nieder­lande. Prinz Moritz, ein­er der Söhne von Wil­helm von Oranien, ließ sich am Bin­nen­hof nieder, ent­standen aus einem Jagdschluss der Grafen von Hol­land aus dem 13. Jahrhun­dert und heutiges Par­la­ments- und Regierungs­ge­bäude. Der Hofvi­jver (Schloss­wei­her) liegt unmit­tel­bar neben dem Bin­nehof und dem Toren­t­je (Türm­chen) mit dem Arbeit­sz­im­mer des Min­is­ter­präsi­den­ten. Das Besucherzen­trum von ProDemos organ­isiert Führun­gen durch den Rit­ter­saal und die Erste und Zweite Kam­mer des Par­la­ments. Das Mau­rit­shuis in unmit­tel­bar­er Nach­barschaft ist seit 1822 die Königliche Gemälde­ga­lerie und umfasst fast auss­chließlich Meis­ter­w­erke großer Kün­stler wie “Das Mäd­chen mit dem Per­lenohrring“ von Ver­meer oder die „Anatomi­es­tunde“ von Rem­brandt. Die Präsen­ta­tion in den ele­gan­ten Räu­men macht es zu einem der schön­sten Museen der Nieder­lande. Gle­ich­falls sehr beein­druck­end ist M. C. Esch­er Muse­um im Win­ter­palast der früheren Köni­gin Emma an der Lange Voorhout, der mit zahlre­ichen prächti­gen Gebäu­den gesäumten Lin­de­nallee in Herzen der Stadt. Zahlre­iche Werke M. C. Esch­ers, der nieder­ländis­che Kün­stler aus dem 20. Jahrhun­dert, der mit seinem Spiel mit der Per­spek­tive welt­bekan­nt wurde, wer­den in diesem Adelspalais ver­größert mul­ti­me­di­al präsen­tiert – sehr ein­drucksvoll.

Bin­nen­hof in Den Haag

Seit mehr als vier Jahrhun­derten leben Statthal­ter und später Könige und König­in­nen nahezu ohne Unter­brechung in Den Haag. Sie haben der Stadt und ihrer Umge­bung ihren Stem­pel aufge­drückt. Das Paleis Noordeinde, ein klas­sizis­tis­ches Palais aus dem Jahr 1640, ist seit Willem V. (1748 ‑1806) im Besitz der Fürsten von Oran­je, es dient heute dem König als Arbeitspalais, der umgebende Park ist der Öffentlichkeit zugänglich. Ein beson­deres Erleb­nis ist die Besich­ti­gung des Königlichen Warte­saals im Bahn­hof­s­ge­bäude Den Haag Hol­lands Spoor aus dem 19. Jahrhun­dert. Bedeu­tende königliche Tra­di­tio­nen wer­den nach wie vor in Ehren gehal­ten, wie der Prin­sjes­dag im Sep­tem­ber, an dem König Willem-Alexan­der mit der gold­e­nen Kutsche vom Palast Noordeinde zur Thronrede im Rit­ter­saal des Par­la­ments fährt. Das imposante Gebäude des Friedenspalasts aus dem Jahr 1913 ist heute Sitz des Inter­na­tionalen Gericht­shof und des Ständi­gen Schieds­gerichts. Neben Führun­gen informieren eine inter­ak­tive Ausstel­lung im Besucherzen­trum über die Geschichte des Friedenspalastes. Der Vorstel­lung, dass es sich um Den Haag um einen ruhi­gen Regierungssitz han­delt, ste­ht die Real­ität gegenüber, dass Den Haag nach Ams­ter­dam und Rot­ter­dam die drittgrößte Stadt der Nieder­lande ist, die von ein­er Sky­line von Min­is­teri­ums-Hochhäusern geprägt wird. Zudem ist Den Haag mit seinem Stadt­teil Schevenin­gen eine Stadt am Meer mit ein­laden­den Sand­strän­den, ein­er Dünen­land­schaft, Wäldern und Parks. Schevenin­gen erre­icht man in 15 Minuten mit der Straßen­bahn vom Zen­trum Den Haags aus, neben der Natur­land­schaft bietet es mit ein­er Pier­an­lage und dem imposan­ten Kurhaus im Empirestil, jet­zt ein Luxu­shotel, See­bad-Atmo­sphäre.

Leeuwarden — Kulturhauptstadt mit Geschichte

Auch in Leeuwar­den, die Haupt­stadt Fries­lands und Kul­turhaupt­stadt Europas 2018, sind zahlre­iche Bezüge zum Haus Oranien-Nas­sau nach­weis­bar. Hier befand sich die Res­i­denz des friesis­chen Zweiges der Nas­sauer (1584 – 1747). Leeuwar­den hat eine schöne von einem Gracht­engür­tel umgebene Alt­stadt mit his­torischen Rathaus. Im Rathaus beein­druckt der majestätis­che Oran­jeza­al. Wahrze­ichen ist der schiefe Turm Old­e­hove, ein 120 Meter hoher Kirch­turm, der sich schon währen­des Baus ab 1529 wegen des sandi­gen Bau­grunds zur Seite neigte. Er ist allerd­ings stand­fest und kann über 183 Stufen bestiegen wer­den. Leeuwar­den lohnt den Besuch aber vor allem auch wegen sein­er bei­den bedeu­ten­den Museen, dem Porzel­lan­mu­se­um im Prin­sen­hof und dem Friesis­chen Muse­um.

Fries Muse­um in Leeuwar­den

Die Samm­lung des Friesis­chen Muse­ums erzählt die Geschichte Fries­lands und sein­er Men­schen anhand von Objek­ten, sel­te­nen archäol­o­gis­chen Fun­den bis hin zur mod­er­nen Kun­st, von den Tage­büch­ern der Tänz­erin Mata Hari, die in Leeuwar­den aufwuchs, bis hin zu ein­drucksvollen Gemälden von Sir Lawrence Alma-Tade­ma und Ger­rit Ben­ner. Ben­ners Land­schaften brin­gen das Herz und die Seele Fries­lands beson­ders gut zum Aus­druck. Mit ihren charak­ter­is­tis­chen niedri­gen Hor­i­zon­ten, die sich ins Unendliche zu erstreck­en scheinen, weck­en seine Gemälde eine melan­cholis­che Sicht auf die Region und ihre Men­schen. Auch das mod­erne Gebäude des Muse­ums bleibt seinen Wurzeln treu. Der präg­nante, offen gestal­tete Bau wurde von Hubert-Jan Hen­ket ent­wor­fen, Das Gebäude hat ein riesiges, 25 Meter hohes Vor­dach, das von Stahl- und Holzsäulen getra­gen wird, und eine beein­druck­ende Glas­fas­sade. Das Keramik­mu­se­um Princesse­hof, ein Palais aus dem 18. Jahrhun­dert, Wohn­sitz der Regentin Maria Louise und 1898 auch Geburt­sort des welt­bekan­nten Kün­stlers M. C. Esch­er, lässt den Besuch­er in die Welt der Keramik ein­tauchen. Die dor­ti­gen Ausstel­lun­gen gehen auf eine Schenkung des Samm­lers Nanne Ottema zurück und repräsen­tieren Keramik in allen For­men und Größen von 2800 v. Chr. bis ins 20. Jahrhun­dert. Auch zwei Hotels in beson­deren Gebäu­den machen Leeuwar­den zusät­zlich attrak­tiv: Das Post-Plaza Hotel & Grand Café liegt im Stadtzen­trum von Leeuwar­den.

Post-Plaza Hotel & Grand Café

Nach der Ren­ovierung und Restau­rierung des Post­ge­bäudes von 1904 hat sich das Post-Plaza Hotel & Grand Café in einen Ort mit einem his­torischen Ambi­ente ver­wan­delt. Die Hotelz­im­mer befind­en sich im alten Post­amt und in der angren­zen­den alten Grata­ma Bank. Bei­de Stan­dorte sind über eine Glas­brücke ver­bun­den. Ein­drucksvoll ist das Café und Restau­rant in der hohen ehe­ma­li­gen Schal­ter­halle, das die volle Höhe des Gebäudes füllt und von ein­er zier­lichen, von der englis­chen Spät­gotik inspiri­erten Dachkon­struk­tion überspan­nt wird. Hier wird nicht nur für die Hotel­gäste selb­st gerösteter Kaf­fee und Craft-Bier ein­er Haus­marke geboten. Im gle­ich­falls auch City-nah gele­ge­nen ehe­ma­li­gen Gefäng­nis­ge­bäude aus der zweit­en Hälfte des 19. Jahrhun­derts sind das Ali­bi Hos­tel Leeuwar­den (unter­schiedlich große Zim­mer mit mod­ernem Kom­fort und ursprünglich­er Atmo­sphäre), ein Restau­rant, die Stadt­bib­lio­thek und zahlre­iche Kün­stler­ate­liers unterge­bracht.

Quelle/Fotonachweis: Nieder­ländis­ches Büro für Touris­mus & Con­ven­tion, www.holland.com /Jörg Raach

Kunst und Kultur in Sachsen-Anhalt

Eine Reise nach Sach­sen-Anhalt lohnt sich in diesem Jahr beson­ders. Das 100-jährige Jubiläum der Bauhaus-Grün­dung ist Anlass zur Präsen­ta­tion ein­er Vielfalt von Baut­en der Mod­erne. Von den ca. 100 Zie­len der „Grand Tour der Mod­erne“, einem bun­desweit­en Net­zw­erk her­aus­ra­gen­der Bauw­erke der Mod­erne, liegen 39 in Sach­sen-Anhalt.

Magdeburg — Bauhaus inmitten historischer Mauern

Rich­tungsweisende Architek­tur der Bauhaus-Ära inmit­ten his­torisch­er Mauern in ein­er der ältesten Städte Deutsch­lands – das gibt es vor allem in Magde­burg. Seit dem Mit­te­lal­ter zählt die Stadt zu den Vor­re­it­ern. Hier hat schon 968 der erste deutsche Kaiser, Otto der Große, seine prächtige Lieblingsp­falz errichtet. Er machte die Stadt zum Mit­telpunkt der poli­tis­chen Herrschaft und ließ den kolos­salen Magde­burg­er Dom erbauen. Im 12. Jahrhun­dert wurde hier eines der ersten Stadtrechte Europas geschrieben.

Her­mann-Beims-Sied­lung © Magde­burg Mar­ket­ing, Con­rad Engel­hardt

Rund 700 Jahre später waren die Magde­burg­er wieder die Ersten. Mit der Her­mann-Beims-Sied­lung ist in den 1920er Jahren die erste deutsche Großsied­lung der Mod­erne ent­standen. Vielfältige Fas­saden­far­ben, licht­durch­flutete Räume und Frischluftschneisen waren die Maxime der dama­li­gen Architek­ten. In ein­er his­torisch möblierten Gästewoh­nung in der Beimsstraße kön­nen sich Gäste übri­gens ein­mi­eten (Buchung unter gs-sued@wobau-magdeburg.de).

Albin­müller­turm © Magde­burg Mar­ket­ing, www.magdeburger-platte.de

Magde­burg wurde zum Zen­trum inno­v­a­tiv­er Städte­bauer und Kün­stler. In reko­rd­verdächti­gen viere­in­halb Monat­en wuchs hier für die Deutsche The­at­er­ausstel­lung 1927 die Stadthalle in Stahlskelet­tbauweise in die Höhe. Unmit­tel­bar daneben ragt der Albin­müller-Turm als eines der Wahrze­ichen Magde­burgs in die Höhe. Die Gestal­tung des Turms des Architek­ten Albin Müller nimmt die Ideen ein­er Glas- und Lichtar­chitek­tur des in Magde­burg als Stadt­plan­er täti­gen Bruno Tauts auf. Vom Turm hat der Besuch­er einen ein­drucksvollen Blick auf Magde­burg mit seinem her­raus­ra­gen­den Ensem­ble im Stil des Neuen Bauens und sein­er grü­nen Umge­bung. Abends ist die gläserne Turm­spitze far­big beleuchtet.

Dom mit dem Hun­dert­wasser­bau “Die Grüne Zitadelle” © Magde­burg Mar­ket­ing, Andreas Lan­der

Der ganz beson­dere architek­tonis­che Höhep­unkt aus der Gegen­wart ist die von Frieden­sre­ich Hun­dert­wass­er ent­wor­fene Grüne Zitadelle. Fer­tiggestellt wurde sie im Jahr 2005. Es han­delt sich dabei um das let­zte Pro­jekt, an dem Hun­dert­wass­er vor seinem Tod gear­beit­et hat. Die Grüne Zitadelle umschließt zwei Innen­höfe, im größeren gibt es einen Spring­brun­nen. Der Name des Baukom­plex geht auf das gras­be­wach­sene Dach und die Bäume im und am Gebäude. Im Erdgeschoss befind­en sich mehrere Läden, ein Café und ein Restau­rant. Unter anderem ste­ht hier in der „Infor­ma­tion in der Grü­nen Zitadelle“ auch das orig­i­nale Bau­mod­ell. Im Gebäude befind­et sich neben 55 Woh­nun­gen auch ein The­ater und ein ART-Hotel.

Aschersleben — die älteste Stadt Sachsen-Anhalts

Die Inter­na­tionale Bauausstel­lung, die Lan­des­garten­schau 2010 und nicht zulet­zt über 20 Jahre Stadt­sanierung haben dem his­torischen Asch­er­sleben neues Leben einge­haucht. Ver­woben mit Architek­tur des 21. Jahrhun­derts macht diese beson­dere Mis­chung Asch­er­sleben heute so sehens- und liebenswert.

Fol­gen Sie den aus­geschilderten Routen rund um die Stadt­be­fes­ti­gung, durch die Gärten und Parks oder quer durch die Alt­stadt mit ihren wertvollen Architek­tur­denkmalen. Rund um die Alt­stadt an einem grü­nen Prom­e­naden­ring erheben sich die Türme der früheren Stadt­be­fes­ti­gung und wenige Meter weit­er am Eine-Flüss­chen lock­en die ehe­ma­li­gen Parks der Lan­des­garten­schau 2010, die seit­dem zu den „Gar­ten­träu­men“, den his­torischen Parks in Sach­sen-Anhalt, gehören. Die architek­tonis­che Vielfalt von der Gotik über Fach­w­erk­baut­en, Barock, Renais­sance, Jugend- und Heimat­stil von Hans Heck­n­er bis hin zu mod­ern­er Architek­tur des 21. Jahrhun­derts ver­lei­hen der Alt­stadt ihr beson­deres Erschei­n­ungs­bild und machen Lust zum Flanieren. Das Wahrze­ichen der Stadt, die 500 Jahre alte St. Stephanikirche, hat ihre Türen für Besuch­er geöffnet und am Markt beein­druckt das Rathaus mit seinen Giebeln und Tür­men aus drei Jahrhun­derten. Ein Juwel mit­ten in der Alt­stadt ist der Graue Hof – ältester Pro­fan­bau der Stadt und jet­zt Kul­turzen­trum mit gas­tronomis­chen Ange­bot.

Grafik­s­tiftung Neo Rauch © Asch­er­sleben Kul­tur­anstalt (AKA) AöR

Ein beson­der­er Tipp für Kun­stin­ter­essierte: Im Riegel­bau des Beste­horn­parks ist das grafis­che Werk des in Leipzig gebore­nen und in Asch­er­sleben aufgewach­se­nen Malers Neo Rauch zu sehen. Mit der Ini­ti­ierung der Grafik­s­tiftung hat er seine Heimat­stadt zu ein­er Attrak­tion in der Kunst­welt gemacht. Mit der 2012 gegrün­de­ten Stiftung ist die Möglichkeit gegeben, das grafis­che Werk des Kün­stlers, das seit 1993 ent­standen ist, aus­führlich und schw­er­punk­t­mäßig zu präsen­tieren. Es wird außer­dem je ein Exem­plare aller zukün­ftig entste­hen­den grafis­chen Werke in den Bestand der Stiftung einge­hen. Schon im Juni 2012 kon­nte die Stiftung ihre Räume im Bil­dungscam­pus, ein architek­tonisch her­raus­ra­gen­der Baukom­plex auf dem Gelände von einst Europas größter Papi­er- und Druck­fab­rik beziehen.

Weltkulturerbe-Stadt Quedlinburg

Auch Quedlin­burg, eine der touris­tis­chen Haup­tat­trak­tio­nen in Sach­sen-Anhalt, bietet Kun­st­genuss aus der Bauhaus-Zeit. Die Lyonel-Feininger-Galerie ist ein Muse­um und Ausstel­lung­shaus für die Kun­st des 20. Jahrhun­derts und der Gegen­wart. Sie ist dem Werk Lyonel Feiningers, der mit seinem „Pris­mais­mus“ einen eige­nen Stil schuf und als 40-Jähriger erster Meis­ter am Bauhaus wurde, gewid­met und ver­fügt mit der Samm­lung des Bauhäuslers und Quedlin­burg­ers Her­mann Klumpp, die sich als Dauer­lei­h­gabe in der Lyonel-Feininger-Galerie befind­et, über einen der weltweit bedeu­tend­sten Bestände an Druck­grafiken Feiningers. Zahlre­iche Aquarelle und Zeich­nun­gen sowie einige Fotografien und Objek­te von Feiningers Hand bere­ich­ern den Bestand. Vom 25. Mai bis 2. Sep­tem­ber wer­den hier neben der Dauer­ausstel­lung zwei attrak­tive Son­der­ausstel­lun­gen geboten: „Die Feiningers. Ein Fam­i­lien­bild am Bauhaus“ untern­immt erst­mals den Ver­such, den kün­st­lerischen Auf­bruch der Mod­erne am Beispiel ein­er Kün­stler­fam­i­lie sicht­bar zu machen. „rot, gelb, blau. Das Bauhaus für Kinder“ — hier kön­nen nicht nur Kinder an einzel­nen Sta­tio­nen exper­i­men­tieren und sich aus­pro­bieren.

Die größte Sehenswürdigkeit in Quedlin­burg ist die Stadt selb­st. Auf ein­er Fläche von gut 80 ha drän­gen sich über 2000 malerische Fach­w­erkhäuser. Wie in einem bun­ten Bilder­buch lässt sich an den oft reich geschmück­ten Fas­saden die Entwick­lung dieser Bauweise über acht Jahrhun­derte able­sen. Mit diesem ein­ma­lig geschlosse­nen his­torischen Stadt­bild ste­ht Quedlin­burg in der ersten Rei­he deutsch­er Fach­w­erk­städte und wurde 1994 in die UNESCO — Wel­ter­beliste der schützenswerten Kul­turgüter aufgenom­men.

Bernburg — ein weiteres Juwel in Sachsen-Anhalt

Schloss Bern­burg mit dem Eulen­spiegel­turm, die liebevoll sanierte Alt­stadt mit vie­len Sehenswürdigkeit­en – dem Carl-Maria-von-Weber-The­ater, dem Rathaus mit der bekan­nten Blu­menuhr und der geografisch — astronomis­chen Kun­stuhr, der Fürsten­gruft mit prachtvollen Sär­gen der­er zu Anhalt — Bern­burg begeg­nen den Gästen bei ihrem Bum­mel durch die Stadt.

Zick­za­ck­hausen, PMF8323 © Ingo Got­tlieb (Halle/Saale)

Mit der MS „Saale­fee“, dem vol­lk­li­ma­tisierten Fahrgastschiff geht es durch den Natur­park „Unteres Saale­tal“. Land­schaftlich ist die Umge­bung von Bern­burg durch das Harzvor­land und die Saaleauen geprägt. Bern­burg (Saale) liegt an der „Straße der Romanik“, am „Blauen Band“ und am Luther­weg sowie an der „Grand Tour der Mod­erne“ Sach­sen-Anhalt. Hier ist als her­raus­ra­gen­des Bauw­erk der Mod­erne die in der Tra­di­tion der Garten­städte 1928/1929 gebaute Sied­lung „Zick­za­ck­hausen“ sehenswert. Von den Architek­ten und Stadt­plan­ern Leopold Fis­ch­er und Leberecht Migge, einem Schüler des Wieners Adolph Loos, konzip­iert, ist diese Sied­lung am nördlichen Stad­trand von Bern­burg am Rande eines großen Kalk­a­b­bau-Tage­bauge­bi­ets zu find­en. Den Namen ver­dankt sie den um 90 Grad gedreht­en und ver­set­zt ange­ord­neten Baukör­pern. Visionäre Ideen der Selb­stver­sorgung in den großen zu den Eigen­heimen gehören­den Gar­te­nan­la­gen und zur Mül­lver­mei­dung ver­suchte man hier bere­its inno­v­a­tiv umzuset­zen.

Die über­re­gionalen Rad­wan­der­wege Europarad­weg R1, der Saale – Rad­wan­der­weg und der Luther­weg sowie zahlre­iche regionale Rundwege queren die Stadt und machen den Besuch Bern­burg lohnend.

Quel­lenangaben:

  • Albin­müller­turm: Magde­burg Mar­ket­ing, www.magdeburger-platte.de
  • Her­mann-Beims-Sied­lung: Magde­burg Mar­ket­ing, Con­rad Engel­hardt
  • Dom mit dem Hun­dert­wasser­bau “Die Grüne Zitadelle”: Magde­burg Mar­ket­ing, Andreas Lan­der
  • Grafik­s­tiftung Neo Rauch: Asch­er­sleben Kul­tur­anstadt (AKA) AöR
  • Zick­za­ck­hausen: PMF8323, Ingo Got­tlieb (Halle/Saale)

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