Magazin für Kultur

Monat: Juni 2019

Über die Verheißung der Freiheit und die Last der Verantwortung

Eine Vor­tragsrei­he der Kon­rad-Ade­nauer-Stiftung zum The­ma „20. Juli 1944 — Ver­mächt­nis und Zukun­ft­sauf­trag“ nahm Bun­de­spräsi­dent a.D. Joachim Gauck an diesem Mittwoch zum Anlass, an unsere ure­igen­ste Sein­sweise zu appel­lieren: Die Frei­heit.

Freiheit vs Ohnmacht

Unter dem Vorze­ichen, nicht den real existieren­den Sozial­is­mus der DDR mit dem Nation­al­sozial­is­mus gle­ichzuset­zen, erzählt Joachim Gauck von Episo­den aus seinem Leben, wie er sie in der Dik­tatur der Kom­mu­nis­ten erlebt hat.

Entschei­dun­gen, die man heutzu­tage selb­stver­ständlich trifft, beispiel­sweise auf welch­er weit­er­führen­den Schule man sein Kind anmelden soll, wurde in der DDR fremdbes­timmt. Nach Gauck stellt sich mit der Zeit ein Gefühl ein, dass man gelebt wird. So lerne man — auch in ein­er Dik­tatur, die nicht mordet und keine Konzen­tra­tionslager hat, son­dern nur in den ern­steren Fällen nach wirk­lich üblen Repres­salien greift — ganz schnell, sich an Ohn­macht zu gewöh­nen.

Doch dieses Gefühl der Ohn­macht hängt nach Gauck keineswegs mit der Staats­form zusam­men, son­dern mit einem Para­dox der men­schlichen Exis­tenz. Neben der Sehn­sucht nach Frei­heit spüre der Men­sch zugle­ich eine Furcht vor der Frei­heit. Denn als freie Men­schen sehen wir uns mit ein­er Fülle von Möglichkeit­en kon­fron­tiert und erken­nen zugle­ich, dass wir „die Bes­tim­mer“ unseres Lebens sind. Ohn­macht habe insofern auch etwas Ver­führerisches. Nicht jed­er Men­sch eigne sich dazu, seine Frei­heit selb­st­bes­timmt zu affir­mieren.

Wer sich sein­er Frei­heit bewusst wird, spüre zugle­ich die Last sein­er Ver­ant­wor­tung. Häu­fig suche man dann nach Möglichkeit­en, seine Ver­ant­wor­tung abzugeben, weil man sich nicht für befähigt genug halte. In der Dik­tatur wie in der Demokratie ist man laut Gauck in Ver­suchung, sich für nicht zuständig zu erk­lären. Wenn man dem nachgibt, sei das eine frei­willige Einkehr in ein Are­al von Ohn­macht. In dieser Sit­u­a­tion könne uns die Ver­gan­gen­heit eine Stütze sein. Denn die großen Namen des Wider­stands kön­nen uns in dem Gefühl bestärken, dass wir eine Wahl haben. In der Dik­tatur wie in der Demokratie haben wir die Wahl „das weniger Schlechte oder das etwas Bessere, das etwas Men­schlichere, das etwas Mutigere“ zu tun.

Die Gabe der Verantwortung

Gauck beze­ich­net es als „Gabe“, dass wir ver­ant­wor­tungs­be­wusst sind, dass wir den Mut haben kön­nen, uns selb­st als ver­ant­wor­tungs­fähige Wesen zu begreifen. Dieses Bewusst­sein von Frei­heit ist nach Gauck der Inbe­griff von Demokratie: „Wir erk­lären uns für zuständig.“ Um diese Rolle in der Demokratie zu erler­nen, brauchen wir Men­schen, die uns etwas von Werten erzählen und die uns diese Werte vor­leben.

Es geht also laut Gauck nicht darum, sich zu fra­gen, ob man zum Mär­tyr­er taugt, son­dern darum, welche Fähigkeit man hat, an der man wach­sen kann, und in welchem Maße einem das Vor­bild dieser Wider­stand­skämpfer hil­ft, die eige­nen Schwächen zu min­imieren.

Kunst und Kultur in Sachsen-Anhalt

Eine Reise nach Sach­sen-Anhalt lohnt sich in diesem Jahr beson­ders. Das 100-jährige Jubiläum der Bauhaus-Grün­dung ist Anlass zur Präsen­ta­tion ein­er Vielfalt von Baut­en der Mod­erne. Von den ca. 100 Zie­len der „Grand Tour der Mod­erne“, einem bun­desweit­en Net­zw­erk her­aus­ra­gen­der Bauw­erke der Mod­erne, liegen 39 in Sach­sen-Anhalt.

Magdeburg — Bauhaus inmitten historischer Mauern

Rich­tungsweisende Architek­tur der Bauhaus-Ära inmit­ten his­torisch­er Mauern in ein­er der ältesten Städte Deutsch­lands – das gibt es vor allem in Magde­burg. Seit dem Mit­te­lal­ter zählt die Stadt zu den Vor­re­it­ern. Hier hat schon 968 der erste deutsche Kaiser, Otto der Große, seine prächtige Lieblingsp­falz errichtet. Er machte die Stadt zum Mit­telpunkt der poli­tis­chen Herrschaft und ließ den kolos­salen Magde­burg­er Dom erbauen. Im 12. Jahrhun­dert wurde hier eines der ersten Stadtrechte Europas geschrieben.

Her­mann-Beims-Sied­lung © Magde­burg Mar­ket­ing, Con­rad Engel­hardt

Rund 700 Jahre später waren die Magde­burg­er wieder die Ersten. Mit der Her­mann-Beims-Sied­lung ist in den 1920er Jahren die erste deutsche Großsied­lung der Mod­erne ent­standen. Vielfältige Fas­saden­far­ben, licht­durch­flutete Räume und Frischluftschneisen waren die Maxime der dama­li­gen Architek­ten. In ein­er his­torisch möblierten Gästewoh­nung in der Beimsstraße kön­nen sich Gäste übri­gens ein­mi­eten (Buchung unter gs-sued@wobau-magdeburg.de).

Albin­müller­turm © Magde­burg Mar­ket­ing, www.magdeburger-platte.de

Magde­burg wurde zum Zen­trum inno­v­a­tiv­er Städte­bauer und Kün­stler. In reko­rd­verdächti­gen viere­in­halb Monat­en wuchs hier für die Deutsche The­at­er­ausstel­lung 1927 die Stadthalle in Stahlskelet­tbauweise in die Höhe. Unmit­tel­bar daneben ragt der Albin­müller-Turm als eines der Wahrze­ichen Magde­burgs in die Höhe. Die Gestal­tung des Turms des Architek­ten Albin Müller nimmt die Ideen ein­er Glas- und Lichtar­chitek­tur des in Magde­burg als Stadt­plan­er täti­gen Bruno Tauts auf. Vom Turm hat der Besuch­er einen ein­drucksvollen Blick auf Magde­burg mit seinem her­raus­ra­gen­den Ensem­ble im Stil des Neuen Bauens und sein­er grü­nen Umge­bung. Abends ist die gläserne Turm­spitze far­big beleuchtet.

Dom mit dem Hun­dert­wasser­bau “Die Grüne Zitadelle” © Magde­burg Mar­ket­ing, Andreas Lan­der

Der ganz beson­dere architek­tonis­che Höhep­unkt aus der Gegen­wart ist die von Frieden­sre­ich Hun­dert­wass­er ent­wor­fene Grüne Zitadelle. Fer­tiggestellt wurde sie im Jahr 2005. Es han­delt sich dabei um das let­zte Pro­jekt, an dem Hun­dert­wass­er vor seinem Tod gear­beit­et hat. Die Grüne Zitadelle umschließt zwei Innen­höfe, im größeren gibt es einen Spring­brun­nen. Der Name des Baukom­plex geht auf das gras­be­wach­sene Dach und die Bäume im und am Gebäude. Im Erdgeschoss befind­en sich mehrere Läden, ein Café und ein Restau­rant. Unter anderem ste­ht hier in der „Infor­ma­tion in der Grü­nen Zitadelle“ auch das orig­i­nale Bau­mod­ell. Im Gebäude befind­et sich neben 55 Woh­nun­gen auch ein The­ater und ein ART-Hotel.

Aschersleben — die älteste Stadt Sachsen-Anhalts

Die Inter­na­tionale Bauausstel­lung, die Lan­des­garten­schau 2010 und nicht zulet­zt über 20 Jahre Stadt­sanierung haben dem his­torischen Asch­er­sleben neues Leben einge­haucht. Ver­woben mit Architek­tur des 21. Jahrhun­derts macht diese beson­dere Mis­chung Asch­er­sleben heute so sehens- und liebenswert.

Fol­gen Sie den aus­geschilderten Routen rund um die Stadt­be­fes­ti­gung, durch die Gärten und Parks oder quer durch die Alt­stadt mit ihren wertvollen Architek­tur­denkmalen. Rund um die Alt­stadt an einem grü­nen Prom­e­naden­ring erheben sich die Türme der früheren Stadt­be­fes­ti­gung und wenige Meter weit­er am Eine-Flüss­chen lock­en die ehe­ma­li­gen Parks der Lan­des­garten­schau 2010, die seit­dem zu den „Gar­ten­träu­men“, den his­torischen Parks in Sach­sen-Anhalt, gehören. Die architek­tonis­che Vielfalt von der Gotik über Fach­w­erk­baut­en, Barock, Renais­sance, Jugend- und Heimat­stil von Hans Heck­n­er bis hin zu mod­ern­er Architek­tur des 21. Jahrhun­derts ver­lei­hen der Alt­stadt ihr beson­deres Erschei­n­ungs­bild und machen Lust zum Flanieren. Das Wahrze­ichen der Stadt, die 500 Jahre alte St. Stephanikirche, hat ihre Türen für Besuch­er geöffnet und am Markt beein­druckt das Rathaus mit seinen Giebeln und Tür­men aus drei Jahrhun­derten. Ein Juwel mit­ten in der Alt­stadt ist der Graue Hof – ältester Pro­fan­bau der Stadt und jet­zt Kul­turzen­trum mit gas­tronomis­chen Ange­bot.

Grafik­s­tiftung Neo Rauch © Asch­er­sleben Kul­tur­anstalt (AKA) AöR

Ein beson­der­er Tipp für Kun­stin­ter­essierte: Im Riegel­bau des Beste­horn­parks ist das grafis­che Werk des in Leipzig gebore­nen und in Asch­er­sleben aufgewach­se­nen Malers Neo Rauch zu sehen. Mit der Ini­ti­ierung der Grafik­s­tiftung hat er seine Heimat­stadt zu ein­er Attrak­tion in der Kunst­welt gemacht. Mit der 2012 gegrün­de­ten Stiftung ist die Möglichkeit gegeben, das grafis­che Werk des Kün­stlers, das seit 1993 ent­standen ist, aus­führlich und schw­er­punk­t­mäßig zu präsen­tieren. Es wird außer­dem je ein Exem­plare aller zukün­ftig entste­hen­den grafis­chen Werke in den Bestand der Stiftung einge­hen. Schon im Juni 2012 kon­nte die Stiftung ihre Räume im Bil­dungscam­pus, ein architek­tonisch her­raus­ra­gen­der Baukom­plex auf dem Gelände von einst Europas größter Papi­er- und Druck­fab­rik beziehen.

Weltkulturerbe-Stadt Quedlinburg

Auch Quedlin­burg, eine der touris­tis­chen Haup­tat­trak­tio­nen in Sach­sen-Anhalt, bietet Kun­st­genuss aus der Bauhaus-Zeit. Die Lyonel-Feininger-Galerie ist ein Muse­um und Ausstel­lung­shaus für die Kun­st des 20. Jahrhun­derts und der Gegen­wart. Sie ist dem Werk Lyonel Feiningers, der mit seinem „Pris­mais­mus“ einen eige­nen Stil schuf und als 40-Jähriger erster Meis­ter am Bauhaus wurde, gewid­met und ver­fügt mit der Samm­lung des Bauhäuslers und Quedlin­burg­ers Her­mann Klumpp, die sich als Dauer­lei­h­gabe in der Lyonel-Feininger-Galerie befind­et, über einen der weltweit bedeu­tend­sten Bestände an Druck­grafiken Feiningers. Zahlre­iche Aquarelle und Zeich­nun­gen sowie einige Fotografien und Objek­te von Feiningers Hand bere­ich­ern den Bestand. Vom 25. Mai bis 2. Sep­tem­ber wer­den hier neben der Dauer­ausstel­lung zwei attrak­tive Son­der­ausstel­lun­gen geboten: „Die Feiningers. Ein Fam­i­lien­bild am Bauhaus“ untern­immt erst­mals den Ver­such, den kün­st­lerischen Auf­bruch der Mod­erne am Beispiel ein­er Kün­stler­fam­i­lie sicht­bar zu machen. „rot, gelb, blau. Das Bauhaus für Kinder“ — hier kön­nen nicht nur Kinder an einzel­nen Sta­tio­nen exper­i­men­tieren und sich aus­pro­bieren.

Die größte Sehenswürdigkeit in Quedlin­burg ist die Stadt selb­st. Auf ein­er Fläche von gut 80 ha drän­gen sich über 2000 malerische Fach­w­erkhäuser. Wie in einem bun­ten Bilder­buch lässt sich an den oft reich geschmück­ten Fas­saden die Entwick­lung dieser Bauweise über acht Jahrhun­derte able­sen. Mit diesem ein­ma­lig geschlosse­nen his­torischen Stadt­bild ste­ht Quedlin­burg in der ersten Rei­he deutsch­er Fach­w­erk­städte und wurde 1994 in die UNESCO — Wel­ter­beliste der schützenswerten Kul­turgüter aufgenom­men.

Bernburg — ein weiteres Juwel in Sachsen-Anhalt

Schloss Bern­burg mit dem Eulen­spiegel­turm, die liebevoll sanierte Alt­stadt mit vie­len Sehenswürdigkeit­en – dem Carl-Maria-von-Weber-The­ater, dem Rathaus mit der bekan­nten Blu­menuhr und der geografisch — astronomis­chen Kun­stuhr, der Fürsten­gruft mit prachtvollen Sär­gen der­er zu Anhalt — Bern­burg begeg­nen den Gästen bei ihrem Bum­mel durch die Stadt.

Zick­za­ck­hausen, PMF8323 © Ingo Got­tlieb (Halle/Saale)

Mit der MS „Saale­fee“, dem vol­lk­li­ma­tisierten Fahrgastschiff geht es durch den Natur­park „Unteres Saale­tal“. Land­schaftlich ist die Umge­bung von Bern­burg durch das Harzvor­land und die Saaleauen geprägt. Bern­burg (Saale) liegt an der „Straße der Romanik“, am „Blauen Band“ und am Luther­weg sowie an der „Grand Tour der Mod­erne“ Sach­sen-Anhalt. Hier ist als her­raus­ra­gen­des Bauw­erk der Mod­erne die in der Tra­di­tion der Garten­städte 1928/1929 gebaute Sied­lung „Zick­za­ck­hausen“ sehenswert. Von den Architek­ten und Stadt­plan­ern Leopold Fis­ch­er und Leberecht Migge, einem Schüler des Wieners Adolph Loos, konzip­iert, ist diese Sied­lung am nördlichen Stad­trand von Bern­burg am Rande eines großen Kalk­a­b­bau-Tage­bauge­bi­ets zu find­en. Den Namen ver­dankt sie den um 90 Grad gedreht­en und ver­set­zt ange­ord­neten Baukör­pern. Visionäre Ideen der Selb­stver­sorgung in den großen zu den Eigen­heimen gehören­den Gar­te­nan­la­gen und zur Mül­lver­mei­dung ver­suchte man hier bere­its inno­v­a­tiv umzuset­zen.

Die über­re­gionalen Rad­wan­der­wege Europarad­weg R1, der Saale – Rad­wan­der­weg und der Luther­weg sowie zahlre­iche regionale Rundwege queren die Stadt und machen den Besuch Bern­burg lohnend.

Quel­lenangaben:

  • Albin­müller­turm: Magde­burg Mar­ket­ing, www.magdeburger-platte.de
  • Her­mann-Beims-Sied­lung: Magde­burg Mar­ket­ing, Con­rad Engel­hardt
  • Dom mit dem Hun­dert­wasser­bau “Die Grüne Zitadelle”: Magde­burg Mar­ket­ing, Andreas Lan­der
  • Grafik­s­tiftung Neo Rauch: Asch­er­sleben Kul­tur­anstadt (AKA) AöR
  • Zick­za­ck­hausen: PMF8323, Ingo Got­tlieb (Halle/Saale)

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