Gaelle Nohant
Dieser tief bewegende Roman geht auf „die tatsächliche Geschichte der Arolsen Archives“ (Danksagung S. 427) und Gespräche der Autorin mit zahlreichen Nachfahren von Opfern der NS-Herrschaft zurück. Das auch als International Tracing Service (ITS) bekannte Archiv in Bad Arolsen, einer Stadt die von einem Fürsten geprägt war, der als SS-General zum Mittäter im NS-System wurde. Die Dokumentensammlung in Arolsen wurde von den Alliierten gegründet, kam unter die Trägerschaft des Internationalen Roten Kreuzes und wurde erst 2012 unter deutscher Trägerschaft geöffnet. Sie ist mit Hinweisen zu rund 17,5 Millionen Menschen die umfassendste Sammlung zu den verschiedenen Opfergruppen des NS-Regimes und gehört seit Juni 2013 zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Der Roman vermittelt das erschütternde Schicksal ausgewählter Opfergruppen, informiert auch über weniger bekannte Verbrechen der NS-Täter. So die Verschleppung von 200.000 Kindern aus Osteuropa zur Zwangsadoption und Zwangsarbeit. Die Schrecken des KZ Treblinka, der Aufstand dort und die Vernichtung aller Spuren, und des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück, die ärztlichen Folterexperimente dort, selbst die Vergewaltigungen beim Eintreffen der russischen Truppen dort, sind Thema dieses herausragenden Romans, der in Frankreich mit einem der renommiertesten Literaturpreise ausgezeichnet wurde.
Gaelle Nohant: All die gestohlenen Erinnerungen, 432 Seiten, Piper Verlag, München 2024, ISBN: ‚24 €