Was soll man tun, wenn es einen in eine Gegend ver­schla­gen hat, wo kein Wein wächst? Ganz klar, man importiert welchen und am besten stellt man auch gle­ich ein paar Arbeit­er an, die etwas vom Weinan­bau ver­ste­hen.

Ob das die Über­legun­gen waren, die den Unternehmer und Poli­tik­er John Macarthur motivierten, ist nicht ein­wand­frei zu rekon­stru­ieren. Es ste­ht aber fest, dass es zu sein­er Zeit, als die Kolonie New South Wales noch in ihren Anfän­gen steck­te, dort keinen Wein gab und dass die Macarthurs die ersten und die erfol­gre­ich­sten waren, die Weine in der Region kul­tivierten.

Eine gute Idee

John Macarthur war zwar nicht vom Fach, aber er hat­te seinen Geschmacks­gau­men trainiert. Zusam­men mit seinen Söh­nen William und Edward unter­nahm er zwis­chen 1815 und 1816 eine Expe­di­tion nach Europa, um ver­schiedene Wein­sorten zu inspizieren und neben­bei noch etwas über deren Anbau zu erler­nen. Allerd­ings reichte seine prak­tis­che Erfahrung dann doch nicht aus, um ein paar der Wein­reben in brauch­barem Zus­tand nach Aus­tralien zu trans­portieren.

Zuhause der Macarthurs um 1834, Cam­den Muse­um © Sophia Höff

Immer­hin besaß er schon das passende Land: Als John Macarthur 1805 fün­f­tausend Mor­gen Land zuge­sprochen bekam, hieß die Region noch Cow­pas­ture Plains. Macarthur hat­te den britis­chen Kolo­nialsekretär Lord Cam­den davon überzeugt, dass sich das Land prächtig für Viehzucht und Land­wirtschaft eignen würde. 1830 hat­ten die Macarthurs dort einen ersten Wein­berg angelegt.

Die nächste Generation übernimmt

Schein­bar nahm die geistige Gesund­heit John Macarthurs allmäh­lich ab. Daher über­nah­men 1832 seine Söhne das Rud­er. Die Schafzucht flo­ri­erte bere­its und der Weinan­bau wurde eifrig vor­angetrieben. Dazu soll­ten deutsche und englis­che Winz­er angestellt wer­den.

Im Okto­ber 1835 gab Gou­verneur Bourke ein Sys­tem von Belo­bi­gun­gen bekan­nt, wodurch bes­timmte Immi­granten sub­ven­tion­iert wer­den soll­ten. Das Schema favorisierte Lan­dar­beit­er mit Fam­i­lie. Arbeit­ge­ber kon­nten so gün­stig Arbeit­er in die Kolonie holen.

Das kam für die Macarthurs wie gerufen. Edward hat­te ger­ade seinen Posten im House of Lords ver­loren und suchte ohne­hin nach ein­er sin­nvollen Betä­ti­gungsmöglichkeit. Deshalb ging er nach Deutsch­land, um Winz­er aus dem Rheinthal zu rekru­tieren. Das Sys­tem von Belo­bi­gun­gen zielte nicht nur auf das fach­liche Kön­nen, son­dern auch auf den Charak­ter ab. Es gab schein­bar Schwierigkeit­en, die erforder­lichen Papiere zu bekom­men. Deshalb ließ Edward seine Beziehung spie­len und reichte am 15. März 1837 eine Eingabe bei Lord Glenelg in Lon­don ein. Der sollte bestäti­gen, dass die Auswan­derung der sechs aus­ge­sucht­en Fam­i­lien durch die Regierung ihrer Majestät sank­tion­iert war. Die Zeit dränge, heißt es in der Eingabe, denn die Fam­i­lien soll­ten einige Monate vor der Wein­ernte ankom­men, die im Jan­u­ar und Feb­ru­ar stat­tfind­en würde.1

Die ersten Deutschen in New South Wales

Nach diesem Schema bracht­en die Macarthurs zwis­chen 1837 und 1838 sechs Fam­i­lien aus dem Rhein­tal in der Nähe von Frank­furt nach New South Wales. Das Schiff mit den deutschen Fam­i­lien an Bord legte am 10. Dezem­ber 1837 in Lon­don ab. Wie aus den Pas­sagierlis­ten zu erse­hen ist, stammten sie aus Nas­sau. Sie waren als Diener gelis­tet.

Trauben­presse der Winz­er­fam­i­lie Thurn, Cam­den Muse­um © Sophia Höff

Die Reise ver­lief nicht rei­bungs­los: Kurz nach­dem sie Lon­don ver­lassen hat­ten, wur­den viele der Frauen und Kinder seekrank. Außer­dem mussten sie mit anse­hen, wie ein Matrose, der zu tief ins Glas geguckt hat­te und zur Strafe ans Steuer­rad gebun­den wurde, durch die stür­mis­che See über Bord ging. Ins­beson­dere Johann Stein erwies sich als echter Karneval­ist, als er bei ein­er mak­aberen See­mannsz­er­e­monie an Fasching dachte. In einem Brief vom 27. Mai 1838 erzählte er, dass sich fünf der Matrosen verklei­de­ten, Schiff­s­teer auf das Gesicht der Fahrgäste träufel­ten und sie anschließend mit einem Ring absch­abten. Ein offen­bar wider­lich schmeck­endes Getränk musste auch kon­sum­iert wer­den.2

Über kurz oder lang war die Seefahrt über­standen. Die Wein­ernte des Jahres 1838 hat­ten sie jedoch ver­passt, als sie am 22. April in Syd­ney ein­liefen. Die sechs nas­sauis­chen Fam­i­lien waren die erste sig­nifikante Gruppe Deutsch­er, die nach New South Wales kam. Mit ihnen kam der erste Ries­ling in die Kolonie. Die Cot­tages in Cam­den Park, wie Macarthur sein Land in Anerken­nung seines Gön­ners nan­nte, standen für die Deutschen bere­it. Sie waren mit allem Notwendi­gen aus­ges­tat­tet.

Der Wein wächst und gedeiht…

Der Ries­ling, der im Rhein­tal ange­baut wird, ist sicher­lich nicht zu ver­acht­en. Doch die Macarthurs hat­ten wahrschein­lich nicht die kul­turellen Unter­schiede bedacht. Ins­beson­dere William hat­te Prob­leme die nas­sauis­che Leben­sart nachzu­vol­lziehen. In einem Brief vom 20. August 1847 schrieb er an Edward: „Sie waren eine sehr unan­genehme Gesellschaft, unun­ter­brochen am Stre­it­en und in heißem Wass­er“.3

… persönliche Differenzen ebenso

Den gele­gentlich aus­ge­tauscht­en Ansicht­en zu poli­tis­ch­er Frei­heit kon­nte er sich über­haupt nicht anschließen. Es stand das Rev­o­lu­tion­s­jahr 1848 vor der Tür. Sobald ihr Fünf-Jahresver­trag erfüllt war, entließ William deshalb alle Nas­sauer bis auf Johann Stein, den er als einen exzel­len­ten und treuen Angestell­ten beze­ich­nete.

Ein­trag über Johann Stein in der Buch­hal­tung der Macarthurs, State Library of NSW © Sophia Höff

Doch die Dif­feren­zen, die William mit den Nas­sauern gehabt zu haben schien, waren wohl nicht grund­sät­zlich. Denn als 1843 die Verträge der sechs Arbeit­er aus­liefen, wollte er neue aus Deutsch­land kom­men lassen. Die Kolo­nial­regierung in Lon­don lehnte das mit der Begrün­dung ab, dass keine größere Anzahl nicht-britis­ch­er Winz­er als Arbeit­er in der Kolonie zuge­lassen wer­den kön­nten. In einem Vor­wort zu seinen gesam­melten Zeitungs­beiträ­gen „Let­ters on the Cul­ture of the Vine, Fer­men­ta­tion and the Man­age­ment of the Wine in the Cel­lar“ kon­terte William Macarthur ärg­er­lich: „Es mag natür­licher­weise gefragt wer­den, wie es kommt, dass, wenn Boden und Kli­ma so vorteil­haft für Weinan­bau sind, wir unsere Hügel nicht von Wein eingek­lei­det sehen […]? [E]s ist der beina­he vol­lkomme­nen Abwe­sen­heit von prak­tis­ch­er Erfahrung mit den Einzel­heit­en geschuldet. Hätte unsere Heima­tregierung ihre Pflicht erfüllt, hätte sie […] zwei- oder drei­hun­dert deutsche, schweiz­erische oder franzö­sis­che Winz­er an unsere Küsten über­sandt“.4

Natür­lich kon­nte auch dieses Hin­der­nis aus dem Weg geräumt wer­den und weit­ere deutsche Fam­i­lien kamen nach Cam­den Park. Darunter war auch Joseph Stein, der nach Johann und Jakob als drit­ter aus der Fam­i­lie Stein nach Syd­ney kam. Sein Brud­er Johann Stein hat­te für ihn eine Anstel­lung bei den Macarthurs arrang­iert. In einem Brief an Bern­hard Jung vom 26. Sep­tem­ber 1849 berichtete Joseph Stein, dass er eben­falls bei den Macarthurs als Auf­se­her über den Wein­berg und den Keller arbeit­en und in das­selbe Cot­tage einziehen werde wie Johann zwölf Jahre zuvor. Zu diesem Zeit­punkt hat­te Johann bere­its 100 Mor­gen eigenes Land in der Umge­bung erwor­ben. 1852 kam Mar­tin Thurn aus Frauen­stein am Rhein, um bei den Macarthurs zu arbeit­en. Seine Wein­presse ist heute im Muse­um Cam­den aus­gestellt.

Wein­presse der Winz­er­fam­i­lie Thurn, Cam­den Muse­um © Sophia Höff

Die Weinindustrie in Camden heute

Es ist kein Wun­der, dass sich William so für sein Konzept, inter­na­tionale Winz­er her­anzu­holen, ein­set­zte. Es war erfol­gre­ich. Cam­den Park war sein­erzeit der größte Wein­pro­duzent Aus­traliens. Sie schafften es auf 16.000 Gal­lo­nen pro Jahr und ver­fügten über bis zu 30.000 Gal­lo­nen in ihrem Weinkeller. Der Ries­ling aus Cam­den Park gewann inter­na­tionale Preise, bis eine Reblaus-Epi­demie in den 1880ern dem ein abruptes Ende set­zte. Nach und nach wird die Region aber wieder als Weinan­bauge­bi­et genützt. Heute gibt es mehrere Weingüter in Cam­den und die Macarthur Fam­i­lie wohnt noch immer in Cam­den Park. Der Ries­ling hat sich mit­tler­weile in ganz Aus­tralien etabliert, wobei er sich geschmack­lich vom rhein­hes­sis­chen Ries­ling unter­schei­det.

Der Macarthur-Park in Cam­den © Sophia Höff

FUßNOTEN

  1. Cloos und Tamp­ke: Greet­ings from…, S. 11. ↩︎
  2. Cloos und Tamp­ke: Greet­ings from…, S. 88. ↩︎
  3. Cloos und Tamp­ke: Greet­ing from…, S. 22. ↩︎
  4. Macarthur: Let­ters on…, S. iv. ↩︎

LITERATUR

  • Atkin­son, Alan: Cam­den. Farm and vil­lage life in ear­ly New South Wales, Mel­bourne 1988.
  • Cloos, Patri­cia und Tamp­ke, Jür­gen (Hrsg.): Greet­ings from the land where milk and hon­ey flows. The Ger­man emi­gra­tion to NSW 1838–1858, Can­ber­ra 1993.
  • King, Hazel: Eliz­a­beth Macarthur and her world, Syd­ney 1980.
  • Macarthur, William: Let­ters on the cul­ture of the vine, fer­men­ta­tion, and the man­age­ment of the wine in the cel­lar, Syd­ney 1844.
  • Macarthur, William: Let­ters on the cul­ture of the vine, fer­men­ta­tion, and the man­age­ment of the wine in the cel­lar, Syd­ney 1844.