Biogra­phie-Recherche Biogra­phie ist Ergeb­nis ein­er aufwändi­gen Recherche. Nachkom­men Eichen­grüns in Deutsch­land, Spanien, Namib­ia, Hol­land und Israel wur­den befragt und die Entwick­lung der Chemie in der Wis­senschafts- und Indus­triegeschichte nachgeze­ich­net (von der Entwick­lung von Far­ben und Film­ma­te­r­i­al aus Teer zur Arzneimit­tel­her­stel­lung bis zur der vielfälti­gen Kun­st­stoff­pro­duk­tion). In drei Jahrzehn­ten Recherche rekon­stru­iert der Autor Chaussy Eichen­grüns Biografie und ent­deckt einen der bedeu­tend­sten Chemik­er und Erfind­er der Kaiserzeit und der Weimar­er Repub­lik wieder: Eichen­grün ist Forsch­er, Erfind­er und Unternehmer in Per­son­alu­nion. Er syn­thetisiert Kokain, erfind­et das weltweit meist­genutzte Antigon­or­rhoicum Pro­tar­gol. Und wir ver­danken ihm die Entwick­lung des erfol­gre­ich­sten Medika­ments der Phar­maziegeschichte, dem Aspirin. Er erfind­et den unbrennbaren Kinofilm, biegsame Schallplat­ten, rev­o­lu­tion­iert mit seinem Cel­lon-Spannlack den Bau der stoff­be­span­nten Flugzeuge und Zep­pe­line.

Ab 1933 gel­ten all seine Ver­di­en­ste nichts mehr.  Er ver­liert seine Fir­ma, allen Besitz und wird aus der Geschichte her­aus­geschrieben. Plöt­zlich ist der assim­i­lierte Patri­ot Eichen­grün für Anti­semiten von Her­mann Göring, mit dem er in Berlin sieben Jahre unter einem Dach lebt, bis zum kle­in­sten Räd­chen des Nazi-Appa­rates nur noch eines: Jude. Er wird im Mai 1944 ins KZ There­sien­stadt deportiert, dort allerd­ings in einen Bere­ich unterge­bracht, in dem 200 von 28.000 Häftlin­gen ein eigenes Zim­mer zugewiesen wurde. Eichen­grün über­lebt das KZ. An sein früheres Leben und seine Erfolge kann er nicht mehr anknüpfen. Chaussy nimmt den Leser mit auf seine Recherchen und ver­wen­det dafür eine reizvolle Form: „…habe ich mir die Frei­heit genom­men, Eichen­grün in von mir imag­inierten Schall­folien­botschaften zu Wort kom­men zu lassen und mir als Autor in die Parade zu fahren – fik­tionales Mit­tel zur Infragestel­lung der Per­spek­tive des Autors.“ (S. 339).

Chaussy, Ulrich: Arthur Eichen­grün – Der Mann, der alles erfind­en kon­nte, nur nicht sich selb­st, 368 Seit­en, gebun­den mit Schutzum­schlag, Herder Ver­lag, Freiburg/Basel/Wien, 2023, 26 €, ISBN: 978–3‑451–39216‑0