Magazin für Kultur

Autor: Jörg Raach (Seite 1 von 4)

Dagny Juel

Das tragis­che Leben ein­er nor­wegis­chen Dich­terin

Dieses bewe­gende, ein­fühlsam geschriebene Lebens­bild ein­er in Deutsch­land völ­lig unbekan­nten nor­wegis­chen Dich­terin Dag­ny Juel ist zugle­ich ein sehr reizvoller Recherchebericht. Kristin Val­la ist auf den Spuren Juels gereist, schildert ihre Zeit in Berlin, Krakau, Warschau und Tiflis. Bohemi­enne, Femme fatale, ero­tis­che Ikone: Um Dag­ny Juel und ihr bewegtes Leben ranken sich bis heute Leg­en­den und Geheimnisse. Als Musik­erin ging sie 1892 nach Berlin, lebte hier fünf Jahre und wurde zum Mit­telpunkt eines Kün­stler- und Lit­er­atenkreis­es. Zu ihren eng­sten Ver­traut­en zählen Edvard Munch, dessen Muse sie wird, Richard Dehmel und August Strind­berg. Zahlre­iche Män­ner sind von ihrer Schön­heit hin­geris­sen und ver­lieben sich in sie. Im Jahr 1893 heiratet sie den pol­nis­chen Schrift­steller Stanisław Przy­byszews­ki, sie bekom­men zwei Kinder – doch glück­lich ist die Ehe nicht, Przy­byszews­ki ver­fällt dem Alko­hol. Im Alter von 33 Jahren wird Juel von einem pol­nis­chen Verehrer in einem Hotelz­im­mer in Tiflis erschossen.

Kristin Val­la: Die Schüsse von Tiflis – Auf den Spuren der Kün­st­lerin Dag­ny Juel, 256 S., 21 Abb., geb., Schutzum­schlag,
ISBN 978–3‑8353–7593‑2, Wei­dle im Wall­stein Ver­lag, Göt­tin­gen 2025, 24 €

Camille Claudel & Bernhard Hoetger

Dieses her­aus­ra­gende Kat­a­log­buch überzeugt schon mit seinem Cov­er: Hauptwerke von Camille Claudel „Die Fle­hende“ (um 1905) und Bern­hard Hoet­ger „Loie Fuller (um 1901) sind gemein­sam in gle­ich­er Größe abge­bildet. Grund­lage dieses Kat­a­logs sind gemein­sam konzip­ierte Ausstel­lun­gen in drei Museen: dem Paula Mod­er­sohn-Beck­er Muse­um, Bre­men (25. 1. — 18. 5. 2025), der Alten Nation­al­ga­lerie, Berlin (6.6. — 28.9. 2025) und dem Musée Camille Claudel in Nogent-sur-Seine (12.9.2026 — 10.1. 2027).

Was vere­int die Kun­st von Claudel und Hoet­ger? Zunächst die Nähe zu Rodin, später die Emanzi­pa­tion von Rodin. Gle­ich­falls auch eine gemein­same Ausstel­lung 1905 in der Paris­er Galerie Eugène Blot, ein­er dama­li­gen Drehscheibe der kün­st­lerischen Avant­garde. Diese Ausstel­lung der bei­den vor 120 Jahre ist der Aus­gangspunkt dieser erneuten deutsch-franzö­sis­chen Bildhauer/innen Begeg­nung. „Bern­hard Hoet­ger lebte und arbeit­ete von 1900 bis 1911 in Frankre­ich, wo sich seine Wege mehrmals mit denen der zehn Jahre älteren Claudel kreuzten…Die Ausstel­lung bei Blot markierte für bei­de einen Wen­depunkt: Während Claudels kün­st­lerisches Schaf­fen auf­grund der Ver­schlechterung ihrer psy­chis­chen Ver­fas­sung ab 1907 ver­siegte, erhielt Hoet­ger zunehmend Anerken­nung. Er kehrte 1911 nach Deutsch­land zurück.“ (S. 6) Mehrere Kon­tak­te zu Indus­triellen „ermöglicht­en ihm durch Aufträge und Ankäufe, seine Ideen auch im Bere­ich des Kun­sthandw­erks und der Architek­tur zu ver­wirk­lichen. Für Roselius (dem Kaf­fee-Mag­nat­en, Anm. d. Verf.) errichtete Hoet­ger 1927 das Muse­um für Paula Mod­er­sohn-Beck­er in der Bre­mer Böttch­er­straße. Seine Nähe zur Ide­olo­gie der Nation­al­sozial­is­ten „…wirft einen dun­klen Schat­ten auf seine let­zten Jahre…“ (S. 16). Den­noch wurde er als „entartet“ eingestuft, wur­den ihm Ausstel­lungsmöglichkeit­en ver­wehrt und zahlre­iche Werke aus Museen beschlagnahmt. Hoet­ger emi­gri­ert ab 1936 wieder­holt in die Schweiz, wo er 1949 ver­stirbt (siehe die umfassende gegenüber stel­lende Biografien der bei­den Kün­stler im Anhang).

Camille Claudel & Bern­hard Hoet­ger – Emanzi­pa­tion von Rodin, 176 Seit­en, 146 Abbil­dun­gen, Klap­pen­broschur, Hirmer Ver­lag, München 2025, ISBN: 978–3‑7774–4466‑6, 29,90 €

Der Ruf der Lemuren

Reise nach Mada­gaskar

Dieses grafisch sehr ansprechend gestal­tete Buch führt haut­nah in die ganz beson­dere Natur Mada­gaskars und in den von Armut geprägten All­t­ag auf dieser großen afrikanis­chen Insel. Trotz der unsicheren materiellen Ver­hält­nisse begeg­nen ihr Men­schen mit bemerkenswert­er Großzügigkeit und Lebens­freude, kundi­ge Guides und Gast­fam­i­lien. Haup­tan­liegen der Autorin ist das Ein­tauchen in die von Bran­dro­dun­gen und zunehmender Häu­figkeit von Zyk­lo­nen bedro­ht­en Primär­wälder und deren Bewohn­er, den Lemuren. Lemuren sind eine faszinierende und vielfältige Gruppe von Pri­mat­en, die auss­chließlich auf der Insel Mada­gaskar vorkom­men. Sie sind bekan­nt für ihre unver­wech­sel­baren Gesichter und ihre großen, aus­drucksvollen Augen. Lemuren sind in Größe und Ver­hal­ten sehr unter­schiedlich und umfassen Arten von der winzi­gen Mausle­mur, den kle­in­sten Pri­mat­en der Welt, bis hin zum Indri, der für seine laut­en, sin­gen­den Rufe bekan­nt ist. Hier ist ein Manko des Buch­es auf­fal­l­end. Es enthält schöne Zeich­nun­gen, aber keine Fotos der Tiere in ihrer Umge­bung. Dazu sei auf die Inter­net­seit­en des Ver­lages mit seinen Fotos und Infos zu Gehrigs Reise­pod­cast ver­wiesen: https://www.reisedepeschen.de/verlag/shop/der-ruf-der-lemuren-bei-den-stillen-helden-madagaskars-reisebuch/

Rebec­ca Gehrig: Der Ruf der Lemuren – Bei den stillen Helden Mada­gaskars, Reisede­peschen Ver­lag, Berlin 2024, ISBN: 978–3‑96348–035‑5, 324 Seit­en, 22 €

Familienschicksale

Fam­i­lien­schick­sale, mitreißend erzählt aus dem Leben dreier Frauen der jüdis­chen Fam­i­lie Feucht­wanger

Die Autorin Heike Specht befasst sich schon seit mehr als zwanzig Jahren wis­senschaftlich mit dem Schick­sal der weit verzweigten deutsch-jüdis­che Fam­i­lie Feucht­wanger. Ihr Auf­stieg vol­l­zog im 19. und frühen 20. Jahrhun­dert von Fürth (auch „fränkisches Jerusalem“ genan­nt, da dort viele aus Wien ver­triebene Juden ein Zen­trum jüdis­ch­er Reli­giosität schufen) in das Großbürg­er­tum der Res­i­den­zs­tadt München. Ein Auf­stieg, der undenkbar gewe­sen wäre ohne vier Gen­er­a­tio­nen stark­er Frauen. Die Autorin beschreibt im Vor­wort tre­f­fend den Inhalt: „Durch dieses Buch über die Frauen der Fam­i­lie Feucht­wanger führen drei weib­liche Stim­men, die aus der Per­spek­tive der frühen 1940er Jahre Momen­tauf­nah­men gewähren und so die chro­nol­o­gis­che Erzäh­lung von fast zwei Jahrhun­derten Fam­i­liengeschichte immer wieder durch­brechen. Mar­ta Feucht­wanger (die Frau des erfol­gre­iche Schrift­stellers Lion Feucht­wanger, Anm. JR) in Los Ange­les, Rahel Straus (ein­er Frauenärztin, der rechtzeit­ig die Umsied­lung nach Palästi­na gelang, Anm. JR) in Jerusalem und Felice Schra­gen­heim (deren Schick­sal durch Buch und Film ‘Aimée und Jaguar’ bekan­nt wurde. Anm. JR) in Berlin ste­hen im Sturm der Ereignisse.“ (S. 8/9) Das Buch quillt über vom Wis­sen der Autorin über die zeit­geschichtlichen Ereignisse und jüdis­ch­er Erfahrenswel­ten und Tra­di­tio­nen und ist durch den anschaulichen-span­nen­den Schreib­stil eine mitreißende Lek­türe.

Frauen in der Kunst

Von Nofretete bis Mar­i­lyn Mon­roe

Diese Buch ist eine Augen­wei­de, die Durch­sicht ein Genuss, gerne würde man sich viele dieser Gemälde an die Wand hän­gen. Der Ver­leger und Autor dieses Buch­es ist tief in die Kun­st­geschichte einge­drun­gen und doku­men­tiert mit diesem Bild­band die Kul­turgeschichte der Frau anhand attrak­tiv­er Gemälde und Skulp­turen. Dabei ist erstaunlich dass Frauen­darstel­lun­gen erst in einem bes­timmten Zeitab­schnitt bes­tim­mend wur­den: „…abseits der Porträt- und Mut­ter­gottes­darstel­lung sind Frauen­bilder – Frauen im alltäglichen Leben – sel­tener als etwas Land­schafts- und Architek­tur­darstel­lun­gen, vielle­icht auch als Tier- oder Stil­lleben­bilder… Lediglich im Zeitraum zwis­chen 1830 bis 1930 erlebte das Frauen­bild eine große Beliebtheit. (S 8).

Die Bil­dauswahl besticht, da sie über­wiegend weniger bekan­nte Werke vorstellt und in bester Druck­qual­ität meist groß­for­matig präsen­tiert, der Vor- und Nach­satz ist mit her­aus­ra­gen­den Repro­duk­tio­nen gestal­tet.

Das Buch begleit­et eine Ausstel­lung im Brüder Grimm Haus in Stein­au an der Straße, die vom 7.2. bis zum 20.6. 2025 gezeigt wird.

Michael Imhof: Frauen in der Kun­st – Von Nofretete bis Mar­i­lyn Mon­roe, Michael Imhof Ver­lag, Peters­berg 2024, ISBN: 9783731908272, 272 Seit­en, 271 Farb- und 4 sw-Abbil­dun­gen, 29,95 €

Lost Places in Europa

Aben­teuer­liche Reisen zu faszinieren­den Lost Places in Europa

Till Auf­schlager und Mar­co Gas­par­ic spüren schon seit gemein­samen Schulzeit­en Ver­bor­gen­em in leer­ste­hen­den Gebäu­den auf. Seit 2012 sind sie Europa-weit in 15 Län­dern unter­wegs. Auf youTube bericht­en sie unter dem Namen „Bro­ken win­dow the­o­ry“ erfol­gre­ich und leg­en jet­zt einen her­aus­ra­gen­den Lost places Bild­band vor, der kein­er sein will, aber den­noch durch bril­lante Farb­fo­tos besticht. Die Autoren haben ein Anliegen, mit jedem Kapi­tel erzählen sie eine Geschichte und wolle Erken­nt­nisse ver­mit­teln. Mit der Jagd nach der mor­biden Ästhetik des Ver­falls, kämpfen sie mit ihren Auf­nah­men darum, diese Orte und ihre fast vergesse­nen Geschicht­en zu bewahren. Sie schreiben: „Wir haben in jedem Kapi­tel unsere Gedanken zu ein­er The­matik geteilt, die uns erst durch das Erkun­den der Ver­gan­gen­heit bewusst gewor­den ist.“ (S. 186) und „Es ist ein authen­tis­ch­er Reise­bericht in eine Par­al­lel­welt, mit echt­en Begeg­nun­gen, Emo­tio­nen und unschö­nen sowie gefährlichen Momenten. Zu eini­gen der hier vorgestell­ten Geschicht­en haben wir bere­its Videos pro­duziert. In diesen Fällen find­est du einen QR-Code im Kapi­tel, der dich direkt zur Doku auf youTube führt.“ (S. 17)

Auf­schlager, Till/Gasparic, Mar­co: Jäger der ver­lore­nen Orte — Aben­teuer­liche Reisen zu faszinieren­den Lost Places in Europa, 192 Seit­en, 200 Farbab­bil­dun­gen, NATIONAL GEOGRAPHIC/NG Buchver­lag, München 2024, ISBN: 9783987010439, 34,99 €

Der andere Impressionismus

Inter­na­tionale Druck­graphik von Manet bis Whistler

Dieses her­aus­ra­gende Kat­a­log­buch zur aktuellen Ausstel­lung im Kupfer­stichk­abi­nett Berlin und im Bar­beri­ni Pots­dam (24. Sep­tem­ber 2024 bis 12. Jan­u­ar 2025) begeis­tert weil es mehr bietet als die Ausstel­lung selb­st. Durch die Möglichkeit, diesen Höhep­unk­ten der Grafik-Kun­st ein­er ver­tieften Betra­ch­tung zukom­men zu lassen, gibt es nur in diesem Buch (in den bei­den Ausstel­lun­gen kann man diesen meist kle­in­for­mati­gen Werken nicht näher treten, zudem muss oft stel­len­weise ein Lichtschutz abgenom­men wer­den). Diese Ausstel­lun­gen machen bewusst, dass es auch in der Grafik schon früh impres­sion­is­tis­che Strö­mungen gab (früher als in der ersten Impres­sion­is­ten Ausstel­lung im Jahr 1874, die jet­zt der Anlass für das 150jährige Jubiläum ist). Son­nenaufgänge, Seerosen, far­bige Licht- und Schat­ten­ef­fek­te. Fast jed­er hat eine Vorstel­lung davon, was ein impres­sion­is­tis­ches Bild aus­macht. In der inter­na­tionalen Druck­grafik sind atmo­sphärische Phänomene – von blenden­der Sonne über Regen, Dun­st bis hin zu Smog – gle­ich­falls häu­figer Gegen­stand: Auch Maler­radier­er haben zum Teil direkt vor der Natur und mit der für diesen Stil charak­ter­is­tis­chen Spon­tan­ität Werke von hoher kün­st­lerisch­er Indi­vid­u­al­ität entste­hen lassen, in denen die Welt neu gese­hen wird. Über­ar­beitun­gen machen aus jedem Abzug ein Orig­i­nal.
Das Berlin­er Kupfer­stichk­abi­nett präsen­tiert 110 sel­ten oder nie gezeigte grafis­che Blät­ter von 40 Kün­st­lerin­nen und Kün­stlern, darunter so berühmte Namen wie Édouard Manet, Auguste Renoir, Mary Cas­satt, James Whistler und Less­er Ury. Let­zter­er wird zusam­men mit Anders Zorn und Franz Skarbina schließlich auch noch zum Impres­sion­is­mus gezählt, zeitlich gewagt, aber von der Gestal­tung und Wirkung dur­chaus berechtigt.

Der andere Impres­sion­is­mus – Inter­na­tionale Druck­graphik von Manet bis Whistler, 208 Seit­en, 147 Farb- und 3 sw-Abbil­dun­gen, Michael Imhof Ver­lag, Peters­berg 2024, ISBN: 978–3‑7319–1433‑4 , 29,95 €

Spannende Recherche zum Schicksal eines niederländisch-jüdischen Unternehmers in Sachsen

Die Autoren Hel­la und San­dra Rot­ten­berg sind die Enkel des nieder­ländisch-jüdis­chen Unternehmers Isay Rot­ten­berg. Erst im Jahr 2015 bringt ein Anruf zur Klärung ger­aubten jüdis­ches Eigen­tums die Autoren auf die schließlich erfol­gre­iche Recherche zum außergewöhn­lichen Schick­sal ihres Groß­vaters. Nie­mand in der Fam­i­lie hat­te je etwas von der Fab­rik ihres Groß­vaters in der säch­sis­chen Indus­tri­es­tadt Döbeln erzählt. Die bei­den begeben sich auf eine hart­näck­ige und inten­sive Suche und stoßen in deutschen Archiv­en schließlich auf einen Schatz von Doku­menten, die aufdeck­en, wie der nieder­ländisch-jüdis­che Unternehmer Isay Rot­ten­berg furcht­los dafür kämpfte, sein Unternehmen in Nazi-Deutsch­land zu hal­ten. Isay Rot­ten­berg, ein Unternehmer aus Ams­ter­dam, kauft 1932 im säch­sis­chen Döbeln bei Dres­den die Deutschen Zigar­ren­werke. Mit maschinellen Pro­duk­tion­s­meth­o­d­en saniert er den wirtschaftlich angeschla­ge­nen Groß­be­trieb mit­ten im Drit­ten Reich. Die Konkur­renz untern­immt alles, um dieser Fir­ma zu schaden. Doch solange Isay Rot­ten­berg vie­len Hun­dert Men­schen in schwieri­gen Zeit­en Arbeit gibt, schaf­fen es selb­st einge­fleis­chte Nazis nicht, ihn zu vertreiben. Mit Mut und Behar­rlichkeit kann er bis 1935 durch­hal­ten. Dann allerd­ings kön­nen Konkur­renten mit Unter­stützung der Deutschen Bank nach halt­losen Vor­wür­fen und Inhaftierung des Fir­menin­hab­ers die bedeu­tende Zigar­ren­fab­rik übernehmen (sog. „Arisierung“). Das Buch ver­mit­telt anschaulich Zeit- und Indus­triegeschichte vor Ort, macht nacher­leb­bar wie NS-Ide­olo­gie inner­halb kurz­er Zeit die Gesellschaft beherrschte.

Hel­la und San­dra Rot­ten­berg: Isay Rot­ten­bergs Zigar­ren­fab­rik — Wie ein nieder­ländisch-jüdis­ch­er Unternehmer in Sach­sen den Nazis die Stirn bot, 290 Seit­en, s/w- Abb.en, Dietz Ver­lag, Bonn 2024, ISBN: 9783801206895, 26

Verdienstvolle Würdigung wenig bekannter Architekten

Die Architek­turhis­torik­erin Ulrike Eich­horn leis­tet mit ihren Mono­grafien zum Wirken bekan­nter Architek­ten in Berlin ver­di­en­stvolle Arbeit und wen­det sich jet­zt zusam­men mit dem Autor Klaus Dettmer den weniger bekan­nten Architek­ten zu, die u.a. im Berlin­er Nor­den zahlre­iche Baut­en hin­ter­lassen haben. Dieses han­dliche Buch eignet sich für Architek­tur­rundgänge, führt in die Geschichte der Architek­tur auf dem Weg in die Mod­erne ein und führt in die so unter­schiedlichen Lebenswege u.a. der Architek­ten Paul Baum­garten, Wern­er Issel, Gus­tav Lilien­thal, Eugen Schmohl, Jean Krämer, Her­mann Blanken­stein, Mar­tin Punitzer und Bruno Buch ein (die für Ken­ner der Architek­turgeschichte, ins­beson­dere der Indus­triekul­tur so unbekan­nt nicht sind). Die Einen­gung im Titel auf Reinick­endorf ist etwas irreführend und erschw­ert das weit­ere Bekan­ntwer­den dieser ver­di­en­stvollen Neuer­schei­n­ung, geht es doch um „Schöpfer…, die nicht nur in Reinick­endorf, son­dern in ganz Berlin ihre Spuren hin­ter­ließen und die Stadt maßge­blich gestal­teten.“ (S. 5) – wie die Bezirks­bürg­er­meis­terin richtig in ihrem Gruß­wort schreibt. Grund­lage ist die Lan­des­denkmalliste. Das Buch enthält 16 Biografien und Werkverze­ich­nisse, schließt mit einem bestens recher­chierten Lit­er­aturverze­ich­nis, das sel­ten in einem Region­alar­chitek­tur­führer zu find­en ist.

Ulrike Eichhorn/Klaus Dettmer: Im Schat­ten bekan­nter Baumeis­ter: Auf dem Weg in die Mod­erne in Reinick­endorf, 134 Seit­en, 72 Abbil­dun­gen, 6 Über­sicht­spläne, Soft­cov­er, Edi­tion Eich­horn, Berlin 2024, ISBN 978–3‑759870–62‑9, 19,99 €.

Denis Schecks tiefe Einsichten zum Lesen

Lit­er­aturkri­tik­er Denis Scheck gibt in seinem neuen Buch einen Rück­blick über die SPIEGEL-Best­sellerlis­ten der let­zten 20 Jahre. Man kann sich fra­gen: Welchen Sinn hat das außer Ärg­er über die Verkauf­ser­folge von Büch­ern, die Aus­druck des Mas­sen­geschmacks sind (wie Scheck immer wieder betont)? Tat­säch­lich ist es aber ein reizvoller Rück­blick auf die let­zten 20 Jahre, denn die Best­sellererfolge spiegeln Entwick­lun­gen in der Gesellschaft und immer wieder gelingt aus nicht nachvol­lziehbaren Grün­den guten Büch­ern der Sprung in die Best­sellerlis­ten (das sind dann von Scheck begrün­dete Leseempfehlun­gen). Scheck bre­it­et seine wirk­lich umfassende All­ge­mein­bil­dung aus (wie ist ein so großes Lesevol­u­men zu schaf­fen?), ver­mit­telt inter­es­sante Infor­ma­tio­nen zum Entste­hen von Best­sellerlis­ten, vor allem aber gibt er pro­fund begrün­dete Antworten auf diese Fra­gen: Kön­nen Büch­er Trost spenden? Lesen Büch­er ihre Leser? Kön­nen Büch­er Fre­unde sein? Tau­gen Büch­er als Ther­a­pie? Zählen Geschichts­büch­er zur Lit­er­atur? Was erzählen Büch­er über die Natur? Leben Lesende Länger? Wie verän­dern Büch­er unser Leben? Machen uns Büch­er zu besseren Men­schen? Warum sind so viele Büch­er Krim­is? Sind Büch­er Zeit­maschi­nen? Stiften Büch­er Werte? Sind Büch­er Spiegel oder Fen­ster? Kann man aus Büch­ern lieben ler­nen? Kön­nen Büch­er die Zukun­ft vorher­sagen? Ret­ten Büch­er Leben?

Denis Scheck: Schecks Best­seller Bibel – Schätze und Schund aus 20 Jahren, Piper Ver­lag, München 2024, 432 Seit­en, Hal­bleinen­band, EAN 978–3‑492–07294‑6, 28.00 €.

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