Magazin für Kultur

Autor: Jörg Raach (Seite 3 von 4)

Hitler, Stalin, meine Eltern & Ich

Der langjährige TIMES Chefredak­teur Daniel Finkel­stein beschreibt in diesem berühren­den und aufk­lärerischen Buch die Lei­dens­geschichte sein­er Mut­ter und seines Vaters und deren Großel­tern. Dabei deckt er zahlre­iche zeit­geschichtliche, wenig bekan­nte Details auf. Daniels Mut­ter Mir­jam wurde in Berlin geboren. Ihr Vater Alfred Wiener war der Erste, der erkan­nte, welche Gefahr von Hitler für die Juden aus­ging. Ab 1933 kat­a­l­o­gisierte er die Nazi-Ver­brechen minu­tiös. Er floh mit der Fam­i­lie nach Ams­ter­dam und ver­legte sein Doku­men­ta­tion­szen­trum nach Lon­don. Aber noch vor der Über­sied­lung von Frau und Kindern marschierten die Deutschen in Hol­land ein, prak­tizierten auch hier die Entrech­tung und Ver­fol­gung der jüdis­chstäm­mi­gen Bevölkerung, schick­ten sie schließlich in das KZ Bergen-Belsen. 83 Züge fuhren vom hol­ländis­chen Durch­gangslager West­er­bork in die Todeslager, mehr als 100 000 Men­schen aus Hol­land wur­den dort ermordet. Durch eine wenig bekan­nte Ret­tungsak­tion der pol­nis­chen Lados-Gruppe in Bern gelingt für Finkel­steins Groß­mut­ter und deren Kinder 1945 eine der weni­gen Aus­tauschvere­in­barun­gen zur Flucht über die Schweiz in die USA. Durch das Elend im Lager schw­er erkrankt stirbt die Groß­mut­ter kurz nach dem Aus­tausch.

Daniels Finkel­steins Vater Lud­wik kam im pol­nis­chen Lem­berg als einziges Kind ein­er wohlhaben­den jüdis­chen Fam­i­lie zur Welt. Nach der Aufteilung Polens durch Hitler und Stal­in 1939 wurde die Fam­i­lie von den sow­jetis­chen Sol­dat­en zusam­mengetrieben und zur Zwangsar­beit in einen sibirischen Gulag geschickt. 22.000 pol­nis­che Offiziere wer­den im Früh­jahr 1940 vom sow­jetis­chen Geheim­di­enst erschossen. „Hun­dert­tausende wur­den aus ihren Häusern ver­trieben und zur Zwangsar­beit deportiert, weit­ere Hun­dert­tausende unter erbärm­lichen Bedin­gun­gen inhaftiert. Es ist ein sel­ten erzähltes, häu­fig geleugnetes und selb­st heute noch den meis­ten völ­lig unbekan­ntes Vorkomm­nis.“ (S. 139) Finkel­steins Groß­mut­ter und ihr Sohn Lud­wik mussten unter elen­den Bedin­gun­gen in ein­er Kol­chose arbeit­en und über­lebte die eisi­gen Win­ter in ein­er Hütte aus Kuh­dung. Nach dem Über­fall Hitlers auf die Sow­je­tu­nion 1941 wer­den Finkel­steins Großel­tern und sein Vater aus dem Gulag-Todeslager (in diesen Gulag-Straflagern sind zwis­chen 1929 und 1953 18 Mil­lio­nen Men­schen umgekom­men) und der Zwangsar­beit frei gestellt und erre­ichen über zahlre­iche Umwege nach Palästi­na.
Finkel­stein schließt mit der denkwürdi­gen Zusam­men­fas­sung: „Das Schweigen, das über den sow­jetis­chen Ver­brechen lag, hat­te Fol­gen. Nie fand eine Abrech­nung statt, nie musste jemand Rechen­schaft able­gen. Nie wur­den die Vertreter des Regimes gezwun­gen zu beken­nen, dass ihr Tun schändlich war. Das gab Wladimir Putin die Möglichkeit, seine pri­vate Ver­sion von rus­sis­ch­er und ukrainis­ch­er Geschichte zu ver­fassen, und das wiederum wurde Bestandteil sein­er Recht­fer­ti­gung… für seinen jüng­sten Krieg gegen die Men­schen in der Stadt, aus der mein Vater stammte.“ (S. 455)

Finkel­stein, Daniel: Hitler, Stal­in, meine Eltern & Ich, Hoff­mann und Campe Ver­lag, Ham­burg 2024, 28,00 €, ISBN 978–3‑455–01666‑6

Jeder Stein erzählt von einem Leben

Diese berührend per­sön­liche Recherche ist eine beson­dere Neuer­schei­n­ung. Gle­ichzeit­ig in Großbri­tan­nien und in Deutsch­land erschienen ist es das erste Buch der Autorin, deren Eltern kurz vor dem Weg in die Ver­nich­tung aus Nazi-Deutsch­land auswan­dern kon­nten. Zurück blieben zahlre­iche Ver­wandte und die in Berlin leben­den Großel­tern, die jüdisch-stäm­mig den Weg der stufen­weisen Entrech­tung und Ver­fol­gung gehen mussten, der schließlich im Lager There­sien­stadt endete, wo sie im dor­ti­gen Elend ver­hungerten. Anlass und Zugang zur Fam­i­lien­recherche der Autorin ist eine Stolper­stein-Ver­legung in Berlin („Ich erzäh­le ihm (Gunter Dem­nig, der schon Tausende Stolper­steine ver­legt hat), wie mir sein Pro­jekt geholfen hat, den lange ver­schlosse­nen Schrank mit meinen Ver­lus­ten zu öff­nen“ S. 113). Mit Hil­fe engagiert­er Berlin­er gelingt es der Autorin zum Gedenken ihrer Großel­tern und ein­er weit­eren Ver­wandten auch Stolper­steine zu ver­legen. Die Berlin-Reisen der Autorin, ihre Begeg­nun­gen mit Orten aus der Ver­gan­gen­heit (Geburtshaus ihrer Mut­ter, der Werk­statt ihres Groß­vaters und dem Wohn­haus ihrer Groß­tante, ein soge­nan­ntes Juden­haus, in dem Juden vor ihrer Depor­ta­tion gezwun­gen waren zu leben) machen berührend das Berlin ihrer Großel­tern und ander­er Ver­wandten anschaulich, eine sehr lohnende Lek­türe.

Jack­ie Kohn­stamm: Jed­er Stein erzählt von einem Leben – auf den Spuren mein­er Fam­i­lie. Orig­inalti­tel: The Mem­o­ry Keep­er: A Jour­ney into the Holo­caust to Find My Fam­i­ly“, Lon­don 2023, Limes Ver­lag, München 2023, ISBN: 978–3‑8090–2769‑0, 23 €

Verborgenes Potsdam

In der inter­na­tion­al ori­en­tierten Ver­bor­genes-Reise­führer-Rei­he (von Bangkok über Berlin bis Wien liegen schon 26 Titel vor) ist jet­zt der empfehlenswerte Pots­dam-Band erschienen. Ein pro­fund kun­sthis­torisch informiertes Autorenteam erläutert Details von Denkmalen und Gebäu­den, gibt Hin­weise auf über­wiegend unbekan­nte Sehenswürdigkeit­en und Geschichtlich­es. Z. B. Ist weniger bekan­nt, dass der „Haupt­mann von Köpenick“ seine beson­ders aus­gewählte Uni­form in Pots­dam kaufte und quer durch Berlin fuhr, um nach Köpenick für seinen Coup im Rathaus zu gelan­gen.

Gute Fotografien und Detailka­rten der Innen­stadt, von Sanssouci, der Nauen­er Vorstadt, von Babels­berg und außer­halb des Zen­trums machen Lust, diese ver­bor­ge­nen Geschicht­szeug­nisse selb­st zu ent­deck­en. Hinzu kom­men weit­er­führende Erläuterun­gen zu den zahlre­ichen alchemistis­chen Zeichen an Gebäu­den in Pots­dam und der Sym­bo­l­ik auf Pots­damer Fried­höfen.

Manuel Roy: Ver­bor­genes Pots­dam, 320 Seit­en, Jon­glez Ver­lag, Ost­fildern 2023, ISBN 978–2‑36195–597‑7 , 19,95 €

Fassadendämmerung — Berliner Jugendstil

Vie­len ist nicht bewusst, dass es in Berlin zahlre­iche, sehenswerte Jugend­stil-Baut­en gibt. Auch der Autorin Johen­ning, die vor diesem Buch Reise- und Architek­tur­führer über St. Peters­burg, Moskau, Kiew, Tbilis­si und Baku ver­fasst hat­te, immer mit Jugend­stil-Baut­en im beson­deren Fokus. Erst die Coro­na-Pan­demie brachte sie dazu, in Berlin nach Häusern in Jugend­stil-Architek­tur zu suchen. Sie ist fündig gewor­den und hat jet­zt einen sehr überzeu­gen­den Führer dazu vorgelegt und zeich­net wohl auch für die ein­drucksvollen Fotografien ver­ant­wortlich (in ihrem Vor­wort gibt es dazu lediglich eine Andeu­tung). 70 Baut­en, sowohl im Orig­i­nalzu­s­tand aus der rel­a­tiv kurzen Zeit der Jugend­stil-Architek­tur von 1900 bis 1906 als auch in rekon­stru­iert­er Form, stellt sie vor. Die schon in den 1920er Jahren ein­set­zende, dann in den 1950er Jahren umfassende Mode, gar Pflicht zur „Entstuck­ung“ ist danach zum Teil wieder rück­gängig gemacht wor­den. So kön­nen jet­zt die großar­ti­gen Fas­sadengestal­tun­gen von der Autorin abwech­slungsre­ich und gründlich recher­chiert beschrieben wer­den. Die Baubeschrei­bun­gen wech­seln mit zahlre­ichen Motiv-Erläuterun­gen ab, auch wer­den Infor­ma­tio­nen zu den Bauher­ren und Architek­ten gegeben. Selb­st ein Inter­view mit einem für zahlre­iche beispiel­hafte Fas­saden­ren­ovierun­gen in Berlin ver­ant­wortlichen Restau­ra­teur im Stuck­a­teur-Handw­erk enthält dieses sehr infor­ma­tive Buch, das zu reizvollen Spaziergän­gen mit geschärften Blick auf Gebäude­fas­saden anregt.

Johen­ning, Heike Maria: Fas­sadendäm­merung – Berlin­er Jugend­stil, 292 Seit­en, zahlre­iche Farb­fo­tografien, Ammi­an Ver­lag, Berlin 2023, ISBN: 978–3‑948052–56‑0, 28 €

Im Schatten meines Großvaters

Dieses sehr per­sön­lich geschriebene, faszinierende Buch macht anschaulich wie famil­iäre Ver­gan­gen­heit gen­er­a­tionsüber­greifende psy­chis­che Auswirkun­gen haben kann, wie unver­ar­beit­ete Gefüh­le weit­ergegeben wer­den, Schuld und Scham aufgear­beit­et wer­den müssen, um sich befreiend auszuwirken. Als die in Eng­land geborene Autorin, Tochter ein­er Deutschen und eines Englän­ders, den Namen ihres Groß­vaters, des Wehrma­chts­gen­er­als Karl von Graf­fen, zum ersten Mal googelte, tauchte ein Foto auf, wie er im Mai 1945 vor den Amerikan­ern kapit­uliert. Angela Find­lay wurde zur Detek­tivin, sprach mit Fam­i­lien­mit­gliedern und mit Frem­den, um sich ein immer detail­liert­eres Bild nicht nur von ihrer deutschen Fam­i­lie, son­dern auch vom Deutsch­land der 1930er- und 1940er-Jahre und darüber hin­aus zu machen. Ein großer Teil ihrer Recherchen umfasste Reisen zu den Stät­ten des Wirkens ihres Groß­vaters in Deutsch­land, Rus­s­land und Ital­ien. Durch die Arbeit an diesem Buch, ihren zahlre­ichen Vorträ­gen zu den Trau­ma­ta nicht ver­ar­beit­eter Ver­gan­gen­heit hat die Autorin sich stufen­weise von ihren wieder kehren­den psy­chis­chen Prob­le­men befre­it und ver­mit­telt ein­dringlich den Lesern in Großbri­tan­nien und jet­zt auch in Deutsch­land Ein­blicke in psy­cho­so­ma­tis­che Prozesse der Ver­ar­beitung von Lei­den.

Es hätte auch anders kommen können

In diesem Begleit­buch zur aktuellen Son­der­ausstel­lung im Deutschen His­torischen Muse­um (bis 24. Novem­ber 2024) wer­den 14 Zäsuren deutsch­er Geschichte von 1848 bis 1989 vor dem Hin­ter­grund möglich­er ander­er Geschichtsver­läufe präsen­tiert, die in entschei­den­den, oft­mals drama­tis­chen Wen­depunk­ten eben­falls angelegt waren. Nach einem Konzept des deutsch-israelis­chen His­torik­ers Dan Din­er wer­fen die Autoren – alle­samt aus­gewiesene Experten für die jew­eili­gen Geschicht­se­pochen – den Blick auf mögliche his­torische Alter­na­tiv­en, ein höchst inter­es­san­ter Ansatz. Auf diese Weise wird Bekan­ntes in ein neues Licht getaucht und die grund­sät­zliche Offen­heit von Geschichte verdeut­licht.

Was wäre gewe­sen, wenn in der Hoch­phase der Entspan­nungspoli­tik Bun­deskan­zler Brandt abgewählt wor­den wäre, die Sicher­heit­skräfte der DDR 1989 mit Gewalt gegen die Demon­stri­eren­den eingeschrit­ten wären? Was wäre gewe­sen, wenn 1933 vor der Machtüber­gabe an Hitler das Mil­itär einge­grif­f­en hätte, die USA 1945 Atom­bomben über Deutsch­land abge­wor­fen hät­ten? Oder was wäre aus Deutsch­land gewor­den, wenn 1848 der Ver­such, eine kon­sti­tu­tionelle Monar­chie zu begrün­den, geglückt wäre?

100 verlassene Orte in Deutschland und Europa

In drit­ter, aktu­al­isiert­er Auflage ist jet­zt eine der besten Überblicks­darstel­lung zu „Lost Places“ in Europa erschienen. Die ein­drucksvollen Fotografien von Thomas Kem­nitz, Robert Con­rad und Michael Täger doku­men­tieren das Schick­sal von Orten und Gebäu­den, die aus unter­schiedlichen Grün­den ver­lassen und dem Ver­fall preis­gegeben wur­den – weil sich poli­tis­che Kon­stel­la­tio­nen verän­dert haben, bes­timmte Indus­triezweige aufgegeben wur­den, Orte ihre Bedeu­tung ver­loren haben. Sie erzählen vom Auf­bruch und Unternehmergeist des aus­ge­hen­den 19. Jahrhun­derts, vom Glauben an Tech­nolo­gie und Fortschritt, von den bei­den Weltkriegen, der Teilung Deutsch­lands und den Verän­derun­gen durch den Fall des Eis­er­nen Vorhangs.
Die 100 Orte wer­den nicht chro­nol­o­gisch, son­dern nach ihrer ursprünglichen Nutzung, auf fünf Kapi­tel verteilt (pro­duzieren, leben, bilden, trans­portieren, schützen) vorgestellt – für den Betra­chter ein Gewinn, kann er doch auch Par­al­le­len zwis­chen ver­wandten Objek­ten aus­machen oder Entwick­lun­gen inner­halb ein­er Bauauf­gabe nachvol­lziehen. Am Ende der Kapi­tel wer­den in kurzen, infor­ma­tiv­en Tex­ten die wichtig­sten Fra­gen zu den Objek­ten beant­wortet: Wann und von wem wur­den sie gebaut? Für welche Nutzung? Wieso wur­den sie ver­lassen? Wie ist der Zus­tand heute? Diese Aufteilung hat­te wohl auch grafis­che Gründe, aber die rel­a­tiv knap­pen Texte hät­ten auch auf den jew­eili­gen Foto­seit­en Platz gehabt und dadurch dem Leser das ständi­ge Hin- und Herblät­tern erspart. Den­noch kann dieser Bild-Text-Band uneingeschränkt emp­fohlen wer­den.

KEMNITZ/CONRAD/TÄGER: Still­gelegt — 100 ver­lassene Orte in Deutsch­land und Europa, 224 Seit­en, zahlre­iche groß­for­matige Farb­fo­tos, gebun­den, € 29,95, Mair­Du­mont Ver­lag, Ost­fildern 2023, ISBN 9783616032269

Die Postkarte

Spannende Recherche der jüdischen Familiengeschichte

Die Autorin Anne Berest erforscht in diesem Buch ihre eigene Fam­i­liengeschichte. Im Mit­telpunkt ste­ht ihre Groß­mut­ter, die sich als einzige ihrer in Frankre­ich inte­gri­erten Fam­i­lie der Ver­schlep­pung franzö­sis­ch­er Behör­den in deutsche Ver­nich­tungslager entziehen kon­nte. Sehr ein­fühlsam, voller per­sön­lich­er Emo­tion, authen­tisch auch durch zahlre­iche Quel­lenangaben schildert Anne Berest die andauernde Diskri­m­inierung und Ver­fol­gung jüdis­ch­er Mit­bürg­er, entsprechend der Aus­sage ihrer Groß­mut­ter zu ihren Eltern und Geschwis­tern „Ich darf sie nicht vergessen, son­st gibt es nie­man­den mehr, der sich daran erin­nert, dass sie gelebt haben“ (S.536). Vor den mehrfachen Vertrei­bun­gen und der Ver­nich­tung wäre die Fam­i­lie in Palästi­na geschützt gewe­sen (der entschei­dende Grund zur Grün­dung Israels). Das Buch ist auch ein span­nend geschriebenes Geschichts­buch: der Leser erfährt bis­lang wenig Bekan­ntes zu den anti­semi­tis­chen Maß­nah­men der franzö­sis­chen Behör­den nach 1940, aber auch zum doch wirk­samen Net­zw­erk der Résis­tance. Es spricht für die franzö­sis­che Gesellschaft, dass dieser aut­ofik­tionale Roman seit seinem Erscheinen im Sep­tem­ber 2021 auf den Best­sellerlis­ten ste­ht. Eine Auseinan­der­set­zung mit der Geschichte, gar ein Ver­ant­wortlich­w­er­den, zumin­d­est die notwendi­ge Erin­nerung zur Mah­nung find­et dem­nach auch in Frankre­ich statt.

Anne Berest: Die Postkarte, 539 Seit­en, Berlin Ver­lag, Berlin/München 2023, ISBN: 9783827014641, 28 €

Der neue Gereon-Rath-Roman

Schon sehr viel weiter als die Babylon Berlin Verfilmung: der 9. Gereon Rath Roman

Die erfol­gre­iche, auf zehn Bände angelegte Berlin Krim­i­nal­ro­man-Rei­he ist inzwis­chen schon im Jahr 1937 angekom­men. Ungewöhn­lich an diesem Band ist zum einen, dass gegenüber dem Vor­läufer „Olympia“ ein Zeit­sprung zurück erfol­gt. Gere­on Rath, der ehe­ma­lige Krim­i­nalkom­mis­sar hält sich noch unter falschem Namen in Wies­baden auf bevor er dann mit dem Luftschiff „Hin­den­burg“ nach New York reist, dort den Absturz über­lebt. Der Großteil des Romans spielt aber in Berlin, Char­lotte Rath klärt Morde auf, taucht in das Nachtleben ein, sorgt sich um ihren Pflege­sohn. Wieder gelin­gen dem Autor tre­f­fende Milieuschilderun­gen des von den Nazis beherrscht­en Berlins, ein­drück­liche, par­al­lel ver­laufende Hand­lungsstränge, sog­ar humor­volle Dialoge. Und es bleibt bis zum Schluss span­nend, schon wird die Spur zur Fort­set­zung gelegt. Gere­on Rath kehrt, nach­dem er seinen alten Wider­sach­er Mar­low aus­geschal­tet, hat mit dem Schiff nach Europa zurück.

Volk­er Kutsch­er: Transat­lantik, 488 Seit­en, Hard­cov­er mit Schutzum­schlag, Piper Ver­lag, München 2022, 978–3‑492–07177‑2, 26,00 € (D)

Mascha Kaléko — Suche nach Heimat

In diesem Roman set­zt Indra Maria Janos der pop­ulären Lyrik­erin Mascha Kaléko ein ein­fühlsam erzähltes Denkmal und gibt dadurch auch ein far­biges Porträt Berlins in den 1920er und 30er Jahre. Es beschränkt sich im wesentlichen auf die Zeit Kalékos in Berlin, obwohl ihre Suche nach Heimat schon nach der Flucht aus Gal­izien begann, die über Frank­furt und Mar­burg nach Berlin führte. Dort fand sie ihre Heimat, war als Autorin erfol­gre­ich, ging Ehen ein, gebar einen Sohn, bis sie als Jüdin von den NS-Herrschaft immer mehr eingeschränkt 1938 in die USA emi­gri­eren kon­nte. Schon 1944 wurde sie US-Bürg­erin, lebte in Israel, besuchte ein let­ztes Mal 1974 Berlin und starb auf dem Rück­weg in Zürich. Die Autorin dieser Roman­bi­ografie lässt sich von eini­gen der her­aus­ra­gen­den auto­bi­ografisch geprägten Gedichte Kalékos anre­gen. So gelingt in diesem Buch ein mitreißen­des Miter­leben von Mascha Kalékos doch nur manch­mal leuch­t­ende Jahre in Berlin (wo natür­lich das Urban-Kranken­haus in Kreuzberg und nicht in Kreuzbach ste­ht – siehe der Druck­fehler auf S. 184).

Indra Maria Janos: Suche nach Heimat — Mascha Kalékos leuch­t­ende Jahre, 368 Seit­en, dtv Ver­lag, München 2022, ISBN: 978–3‑423–26341‑2, EUR 16,95 [DE]

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