Eine Vor­tragsrei­he der Kon­rad-Ade­nauer-Stiftung zum The­ma „20. Juli 1944 — Ver­mächt­nis und Zukun­ft­sauf­trag“ nahm Bun­de­spräsi­dent a.D. Joachim Gauck an diesem Mittwoch zum Anlass, an unsere ure­igen­ste Sein­sweise zu appel­lieren: Die Frei­heit.

Freiheit vs Ohnmacht

Unter dem Vorze­ichen, nicht den real existieren­den Sozial­is­mus der DDR mit dem Nation­al­sozial­is­mus gle­ichzuset­zen, erzählt Joachim Gauck von Episo­den aus seinem Leben, wie er sie in der Dik­tatur der Kom­mu­nis­ten erlebt hat.

Entschei­dun­gen, die man heutzu­tage selb­stver­ständlich trifft, beispiel­sweise auf welch­er weit­er­führen­den Schule man sein Kind anmelden soll, wurde in der DDR fremdbes­timmt. Nach Gauck stellt sich mit der Zeit ein Gefühl ein, dass man gelebt wird. So lerne man — auch in ein­er Dik­tatur, die nicht mordet und keine Konzen­tra­tionslager hat, son­dern nur in den ern­steren Fällen nach wirk­lich üblen Repres­salien greift — ganz schnell, sich an Ohn­macht zu gewöh­nen.

Doch dieses Gefühl der Ohn­macht hängt nach Gauck keineswegs mit der Staats­form zusam­men, son­dern mit einem Para­dox der men­schlichen Exis­tenz. Neben der Sehn­sucht nach Frei­heit spüre der Men­sch zugle­ich eine Furcht vor der Frei­heit. Denn als freie Men­schen sehen wir uns mit ein­er Fülle von Möglichkeit­en kon­fron­tiert und erken­nen zugle­ich, dass wir „die Bes­tim­mer“ unseres Lebens sind. Ohn­macht habe insofern auch etwas Ver­führerisches. Nicht jed­er Men­sch eigne sich dazu, seine Frei­heit selb­st­bes­timmt zu affir­mieren.

Wer sich sein­er Frei­heit bewusst wird, spüre zugle­ich die Last sein­er Ver­ant­wor­tung. Häu­fig suche man dann nach Möglichkeit­en, seine Ver­ant­wor­tung abzugeben, weil man sich nicht für befähigt genug halte. In der Dik­tatur wie in der Demokratie ist man laut Gauck in Ver­suchung, sich für nicht zuständig zu erk­lären. Wenn man dem nachgibt, sei das eine frei­willige Einkehr in ein Are­al von Ohn­macht. In dieser Sit­u­a­tion könne uns die Ver­gan­gen­heit eine Stütze sein. Denn die großen Namen des Wider­stands kön­nen uns in dem Gefühl bestärken, dass wir eine Wahl haben. In der Dik­tatur wie in der Demokratie haben wir die Wahl „das weniger Schlechte oder das etwas Bessere, das etwas Men­schlichere, das etwas Mutigere“ zu tun.

Die Gabe der Verantwortung

Gauck beze­ich­net es als „Gabe“, dass wir ver­ant­wor­tungs­be­wusst sind, dass wir den Mut haben kön­nen, uns selb­st als ver­ant­wor­tungs­fähige Wesen zu begreifen. Dieses Bewusst­sein von Frei­heit ist nach Gauck der Inbe­griff von Demokratie: „Wir erk­lären uns für zuständig.“ Um diese Rolle in der Demokratie zu erler­nen, brauchen wir Men­schen, die uns etwas von Werten erzählen und die uns diese Werte vor­leben.

Es geht also laut Gauck nicht darum, sich zu fra­gen, ob man zum Mär­tyr­er taugt, son­dern darum, welche Fähigkeit man hat, an der man wach­sen kann, und in welchem Maße einem das Vor­bild dieser Wider­stand­skämpfer hil­ft, die eige­nen Schwächen zu min­imieren.