Was hat eigentlich die Pro­tag­o­nistin in Zora del Buonos Roman “Die Marschallin” mit der roten Zora aus dem Jugend­buch von Kurt Held gemein­sam?

Die rote Zora als Gefährtin im Geiste

Die rote Zora ist bekan­nt aus dem Jugend­buch “Die rote Zora und ihre Bande”. Zusam­men mit ein­er Gruppe von Waisenkindern schlägt sie sich in einem kroat­is­chen Küstenort durch. Was die zusam­mengewür­felte Bande zusam­men­schweißt, ist ihre Sol­i­dar­ität füreinan­der. Aber die Kinder haben auch Für­sprech­er unter den Dorf­be­wohn­ern und treten mit ihnen gemein­sam für soziale Gerechtigkeit ein.

Im Roman “Die Marschallin” von Zora del Buono heißt die Pro­tag­o­nistin eben­falls Zora, sie ist die Groß­mut­ter der Autorin. Diese Zora hat einiges mit Kurt Helds Ban­de­nan­führerin gemein­sam. Bei­de stam­men aus dem Gebi­et, das ein­mal Jugoslaw­ien war, und bei­de mussten als Kinder den Ver­lust ihrer Mut­ter verkraften. Vielle­icht wurde ger­ade durch diese Erfahrung das Tal­ent zur Anführerin geweckt. Nicht zufäl­lig trägt der Roman von Zora del Buono den Titel “Die Marschallin”, denn die Groß­mut­ter der Autorin, die eben­falls Zora Del Buono (allerd­ings mit großem “Del”) heißt, behielt stets das Kom­man­do über ihre Fam­i­lie — sowohl über ihre vier Brüder als auch über ihre drei Söhne. Dieses Kom­man­do ging so weit, dass Zora die Schwiegertöchter für ihre Söhne aus­suchte. Das Kri­teri­um, das ihr dabei als Richtschnur diente, war, dass die Schwiegertöchter selb­st keine Müt­ter haben soll­ten. Zora war von einem grund­sät­zlich­es Mis­strauen gegenüber Frauen geprägt und wollte das weib­liche Per­son­al ihrer Fam­i­lie ger­ing hal­ten.

Genossen unter sich

Karl Marx und Friedrich Engels © Sophia Höff

Zur Bande von Zora Del Buono gehörten solche kom­mu­nis­tis­chen Grün­dungs­fig­uren wie Anto­nio Gram­sci und Josip Broz Tito. Zora war eine glühende Kom­mu­nistin. Diese Pas­sion für den Kom­mu­nis­mus teilte sie mit ihrem Ehe­mann, dem sizil­ian­is­chen Radi­olo­gen Pietro Del Buono. Die bei­den lern­ten sich 1919 in der slowenis­chen Stadt Bovec im Soča-Tal ken­nen. Nach dem ersten Weltkrieg gehörte dieser Teil der ehe­ma­li­gen K.-u.-k-Monarchie zu Ital­ien.

Einige Zeit ver­bracht­en Zora und Pietro zusam­men mit ihren Söh­nen in Berlin, wo Pietro an der Char­ité beschäftigt war. Die meiste Zeit über lebten die Del Buonos jedoch in der südi­tal­ienis­chen Stadt Bari, wo Zora eigens ein Palaz­zo ent­warf, das sowohl als Res­i­denz wie auch als radi­ol­o­gis­che Klinik fungierte. Während ihr Mann also im Untergeschoss eine Klinik betrieb, beschäftigte sich Zora im Obergeschoss damit, das Schick­sal ihrer Fam­i­lie zu spin­nen.

Glanzzeiten und Schicksalsjahre

Ein Einzelschick­sal ist nicht ohne die Zeit­geschichte zu denken. So sind die Ereignisse im Leben der Buonos eng mit den poli­tis­chen Umwälzun­gen ihrer Zeit ver­woben. Während des ital­ienis­chen Faschis­mus sym­pa­thisierten Zora und Pietro mit den Par­ti­sa­nen und ein beson­deres Ereig­nis war der Besuch Titos im Palaz­zo der Fam­i­lie. Um diesen Besuch und eine ver­meintliche Krankheit Titos rankt sich eine gern tradierte Fam­i­lien­anek­dote.

Für den Roman wird aber ein anderes Datum zu einem Kristalli­sa­tion­spunkt. Am 24. Juli 1948 ereignete sich ein Ver­brechen, in das die Del Buonos ver­strickt waren. Für Zora Del Buono resul­tierte daraus ein Schuldge­fühl, das sie bis zu ihrem Tod ver­fol­gte. 1948 war auch das Jahr, in dem die Del Buonos aus der Kom­mu­nis­tis­chen Partei Ital­iens aus­geschlossen wur­den. Das Großbürg­er­tum war for­t­an nicht mehr als Parteim­it­glied gefragt.

Sozial­is­tis­che Glas­malerei im ehe­ma­li­gen Staat­srats­ge­bäude der DDR © Sophia Höff

Der let­zte Teil des Romans wird in Form eines Monologs der Groß­mut­ter erzählt. Zora Del Buono lebte bis zu ihrem Tod 1980 in einem Senioren­wohn­heim in der Stadt Nova Gor­i­ca, Jugoslaw­ien. Von den mondä­nen Jahren in Bari scheint an ihrem Lebens­abend nicht viel geblieben zu sein. Auch den frühen Tod ihrer Söhne musste sie verkraften.

In einem schw­er nachvol­lziehbaren Gedanken­gang deutete sie den Tod ihrer Söhne als Strafe ein­er höheren Macht. Aus dem Schuld­beken­nt­nis, für den Tod der Söhne ver­ant­wortlich zu sein, spricht eine Selb­stüber­schätzung, aber zugle­ich ein Bewusst­sein für das eigene Scheit­ern. Das Schick­sal ist nicht zu steuern und unter­wirft sich auch nicht dem Dik­tat ein­er Marschallin.

Ein starkes Porträt

Der Roman “Die Marschallin” zeich­net im Kern das Porträt ein­er wil­lensstarken und res­oluten Frau, deren Biografie jedoch Brüche und Wider­sprüche offen­bart, die sie zu ein­er ein­drucksvollen Zeitzeu­g­in des 20. Jahrhun­derts machen.

Zora del Buono: Die Marschallin, C. H. Beck 2020, ISBN: 978–3‑406–75482‑1, gebun­den, 24 Euro.