Als freier Jour­nal­ist hat man es nicht leicht: Die Ein­sendun­gen für eine Lit­er­aturzeitschrift müssen redigiert wer­den, erweisen sich jedoch als nicht ger­ade gehaltvoll. Und einen sorgsam recher­chierten Artikel in ein­er renom­mierten Tageszeitung unterzubrin­gen, ist auch nicht ein­fach.

Aber der Autor und Jour­nal­ist Sascha Fehrmann hat es ganz gut getrof­fen. Er wohnt mit sein­er Frau und sein­er Tochter in einem großbürg­er­lichen Haus in Karl­sruhe, das ihnen die Schwiegerel­tern abge­treten haben. Der großflächige Garten hin­ter­lässt regelmäßig Ein­druck bei seinen Besuch­ern.

Doch die Fehrmanns kom­men in unruhigeres Fahrwass­er, als sich ein alter Schul­fre­und Saschas namens Frank Kali­na in ihr Leben ein­nis­tet. Der zunächst unwillkommene Gast, den man zu Beginn des Romans noch für einen Ein­brech­er hält, hat das Tal­ent in jed­er Sit­u­a­tion tonangebend zu sein. So zieht er die Aufmerk­samkeit auf sich, als er Frem­den von sein­er Ver­gan­gen­heit als „Men­schen­fress­er“ erzählt, und ver­prellt die bürg­er­lichen Par­tygäste der Fehrmanns durch sein emphatis­ches Plä­doy­er für die Frei­heit. Der pro­fes­sionelle Schaus­piel­er tritt frühzeit­ig der Laienthe­ater­gruppe von Saschas Ehe­frau bei und überzeugt mit seinem unberechen­baren Charis­ma. Sein Hang zum Abgründi­gen zeigt sich nicht nur in sein­er Vor­liebe für Schauer­ro­mane E. T. A. Hoff­manns, son­dern auch in seinem eige­nen Lebensen­twurf.

Das Mys­teri­um, das den selb­ster­nan­nten „Men­schen­fress­er“ umgibt, schlägt Sascha in Bann. Während immer neue Details aus Franks Ver­gan­gen­heit ans Licht kom­men, rückt die Gefahr für Sascha und seine Fam­i­lie immer näher. Den­noch hadert Sascha lange mit der Entschei­dung, wie er sich gegenüber Frank posi­tion­ieren soll, in dem er mehr und mehr das Spiegel­bild eines alter­na­tiv­en Lebensen­twur­fes erken­nt.

Volk­er Kamin­skis Roman „Der Ges­tran­dete“ überzeugt als Kri­mi mit exis­ten­zial­is­tis­chem Touch. Das Motiv des Dop­pel­gängers zieht sich auf mehreren Ebe­nen durch den Roman und erzeugt eine faszinierende Atmo­sphäre der Ambivalenz. Auch Sprache und Stil machen es dem Leser leicht, sich in die Lebenswelt der Pro­tag­o­nis­ten zu begeben.

Volk­er Kamin­s­ki: Der Ges­tran­dete, Lin­de­manns Bib­lio­thek, Band 327, Info Ver­lag 2019, ISBN: 9783963080289.