Ein englis­ch­er His­torik­er leis­tet mit diesem Buch etwas was deutsche Autoren bis­lang nicht gelang: sehr anschaulich mit vie­len bish­er wenig beachteten Details angere­ichert ein für Deutsch­land sehr prä­gen­des Jahr zu doku­men­tieren und dabei die Lehren aus dieser für die Demokratie so bedrohlichen Zeit zu ziehen.

Jones verbindet die Mikroebene, das Lei­den der Men­schen, mit der Makroebene, dem Wirken von Regierun­gen. Er benen­nt die Ereignisse im Vor­jahr 1922 (vor allem den Mord an Außen­min­is­ter Rathenau durch Recht­sex­trem­is­ten) und führt uns mit­ten hinein ins Krisen­jahr 1923: in jene Monate, als franzö­sis­che und bel­gis­che Trup­pen das Ruhrge­bi­et beset­zten, dort eine Gewaltherrschaft ausübten und durch die Reak­tion der deutschen Regierung darauf eine galop­pierende Infla­tion aus­lösten. Er leis­tet eine dif­feren­zierte, rel­a­tivierende Darstel­lung des Putschver­suchs Hitlers in München im Novem­ber 1923, stellt die Gefährdun­gen der Demokratie durch Regierungs­beteili­gun­gen der DKP in Sach­sen und Thürin­gen und das Wirken schon recht­sex­trem han­del­nden Regierun­gen in Bay­ern dar, berichtet aber auch von den zahlre­ichen anti­semi­tis­chen Über­grif­f­en, deren Aus­maß wenig bekan­nt ist („Zeitgenossen schätzten, dass sich bis zu 10000 Men­schen an den Auss­chre­itun­gen beteiligt hat­ten“ S. 300). Am Ende des Jahres über­wand das Land die Dauerkrise (Kan­zler Stre­se­mann, auch die verän­derte Hal­tung Großbri­tan­niens waren wesentlich) und erre­ichte sta­bilere Ver­hält­nisse, die Demokrat­en standen schließlich als Sieger da.

Jones resümiert mit Aus­blick auf 2023: „Während des Jubiläums des Weimar­er Krisen­jahres und darüber hin­aus wäre es ein poli­tis­ch­er Fehler, wenn die entschei­dende Lehre der Geschichte nicht gehört würde: Het­zpoli­tik kann nur dann funk­tion­ieren, wenn Gewalt und diskri­m­inierende Reden unges­traft bleiben“ (S. 344)

Jones, Mark: 1923 – Ein deutsches Trau­ma, Hard­cov­er mit Schutzum­schlag, 384 Seit­en, ISBN: 9783549100301 Propy­läen Ver­lag, Berlin 2022, 26 €