In diesem spannenden Roman von Jana Revedin begegnen dem Leser viele Unbekannte oder Vergessene der Kulturgeschichte. Eugenia Errázuriz, die einflussreiche Kunstmäzenin der Pariser Moderne, hat die Karrieren von Coco Chanel, Pablo Picasso, Blaise Cendrars und den jungen jüdischen Innenarchitekten Jean-Michel Frank gefördert. Auf einer Reise in ihre Heimat nach Patagonien Ende der 1930er Jahre begegnet Errázuriz gemeinsam mit Frank Persönlichkeiten dieser Zeit von der Flugpionierin Emelia Earhart bis zur amerikanischen First Lady Eleanor Roosevelt. Jean-Michel Frank hat zahlreichen Juden zur Flucht verholfen und die Familie von Anne Frank, mit der er verwandt war, finanziell unterstützt. Letztlich konnte er aber Anne Franks Familie nicht retten, da der Vater Otto Frank Fluchtmöglichkeiten verzögerte.
All dies ist sehr einfühlsam und mitreißend beschrieben und bietet gleichzeitig auch Informationen über vieles, was bislang relativ wenig bekannt war. Zum Beispiel die Nähe der argentinischen Diktatur zum Faschismus, die schließlich zum Antisemiten-Gesetz von 1938 führte. Danach wurden in Argentinien keine Flüchtlinge mehr aufgenommen. Selten wartet ein Roman mit so weitgehenden, historischen Belegen auf. Die Autorin beschreibt in einem ausführlichen Epilog die historischen Hintergründe und das Schicksal vieler Protagonisten des Romans, nennt ihre Quellen in einem Literaturverzeichnis und macht schließlich deutlich: „Alle Protagonisten und Schauplätze dieses Romans sind authentisch, alle Ereignisse und Gespräche können sich so, aber auch anders zugetragen haben. (S. 409)
Jana Revedin: Flucht nach Patagonien, Roman, 416 Seiten, Fotos von Errázuriz und Frank in den Buchinnenseiten, gebunden mit Schutzumschlag, Aufbau Verlag Berlin 2021,
978-3-351-03809-0 , 22,00 €
VON DR. JÖRG RAACH UND JULIA KRATZER