Was soll man tun, wenn es einen in eine Gegend verschlagen hat, wo kein Wein wächst? Ganz klar, man importiert welchen und am besten stellt man auch gleich ein paar Arbeiter an, die etwas vom Weinanbau verstehen.
Ob das die Überlegungen waren, die den Unternehmer und Politiker John Macarthur motivierten, ist nicht einwandfrei zu rekonstruieren. Es steht aber fest, dass es zu seiner Zeit, als die Kolonie New South Wales noch in ihren Anfängen steckte, dort keinen Wein gab und dass die Macarthurs die ersten und die erfolgreichsten waren, die Weine in der Region kultivierten.
Eine gute Idee
John Macarthur war zwar nicht vom Fach, aber er hatte seinen Geschmacksgaumen trainiert. Zusammen mit seinen Söhnen William und Edward unternahm er zwischen 1815 und 1816 eine Expedition nach Europa, um verschiedene Weinsorten zu inspizieren und nebenbei noch etwas über deren Anbau zu erlernen. Allerdings reichte seine praktische Erfahrung dann doch nicht, um ein paar der Weinreben in brauchbarem Zustand nach Australien zu transportieren.

Immerhin besaß er schon das passende Land: Als John Macarthur 1805 fünftausend Morgen Land zugesprochen bekam, hieß die Region noch Cowpasture Plains. Macarthur hatte den britischen Kolonialsekretär Lord Camden davon überzeugt, dass sich das Land prächtig für Viehzucht und Landwirtschaft eignen würde. 1830 hatten die Macarthurs dort einen ersten Weinberg angelegt.
Die nächste Generation übernimmt
Scheinbar nahm die geistige Gesundheit John Macarthurs allmählich ab. Daher übernahmen 1832 seine Söhne das Ruder. Die Schafzucht florierte bereits und der Weinanbau wurde eifrig vorangetrieben. Dazu sollten deutsche und englische Winzer angestellt werden.
Im Oktober 1835 gab Gouverneur Bourke ein System von Belobigungen bekannt, wodurch bestimmte Immigranten subventioniert werden sollten. Das Schema favorisierte Landarbeiter mit Familie. Arbeitgeber konnten so günstig Arbeiter in die Kolonie holen.
Das kam für die Macarthurs wie gerufen. Edward hatte gerade seinen Posten im House of Lords verloren und suchte ohnehin nach einer sinnvollen Betätigungsmöglichkeit. Deshalb ging er nach Deutschland, um Winzer aus dem Rheinthal zu rekrutieren. Das System von Belobigungen zielte nicht nur auf das fachliche Können, sondern auch auf den Charakter ab. Es gab scheinbar Schwierigkeiten, die erforderlichen Papiere zu bekommen. Deshalb ließ Edward seine Beziehung spielen und reichte am 15. März 1837 eine Eingabe bei Lord Glenelg in London ein. Der sollte bestätigen, dass die Auswanderung der sechs ausgesuchten Familien durch die Regierung ihrer Majestät sanktioniert war. Die Zeit dränge, heißt es in der Eingabe, denn die Familien sollten einige Monate vor der Weinernte ankommen, die im Januar und Februar stattfinden würde (vgl. Cloos: Greetings from…, S. 11).
Die ersten Deutschen in New South Wales
Nach diesem Schema brachten die Macarthurs zwischen 1837 und 1838 sechs Familien aus dem Rheintal in der Nähe von Frankfurt nach New South Wales. Das Schiff mit den deutschen Familien an Bord legte am 10. Dezember 1837 in London ab. Wie aus den Passagierlisten zu ersehen ist, stammten sie aus Nassau. Sie waren als Diener gelistet.

Die Reise verlief nicht reibungslos: Kurz nachdem sie London verlassen hatten, wurden viele der Frauen und Kinder seekrank. Außerdem mussten sie mit ansehen, wie ein Matrose, der zu tief ins Glas geguckt hatte und zur Strafe ans Steuerrad gebunden wurde, durch die stürmische See über Bord ging. Insbesondere Johann Stein erwies sich als echter Karnevalist, als er bei einer makaberen Seemannszeremonie an Fasching dachte. In einem Brief vom 27. Mai 1838 erzählte er, dass sich fünf der Matrosen verkleideten, Schiffsteer auf das Gesicht der Fahrgäste träufelten und sie anschließend mit einem Ring abschabten. Ein offenbar widerlich schmeckendes Getränk musste auch konsumiert werden (vgl. Cloos: Greetings from…, S. 88).
Über kurz oder lang war die Seefahrt überstanden. Die Weinernte des Jahres 1838 hatten sie jedoch verpasst, als sie am 22. April in Sydney einliefen. Die sechs nassauischen Familien waren die erste signifikante Gruppe Deutscher, die nach News South Wales kam. Mit ihnen kam der erste Riesling in die Kolonie. Die Cottages in Camden Park, wie Macarthur sein Land in Anerkennung seines Gönners nannte, standen für die Deutschen bereit. Sie waren mit allem Notwendigen ausgestattet.
Der Wein wächst und gedeiht…
Der Riesling, der im Rheintal angebaut wird, ist sicherlich nicht zu verachten. Doch die Macarthurs hatten wahrscheinlich nicht die kulturellen Unterschiede bedacht. Insbesondere William hatte Probleme die nassauische Lebensart nachzuvollziehen. In einem Brief vom 20. August 1847 schrieb er an Edward: „Sie waren eine sehr unangenehme Gesellschaft, ununterbrochen am Streiten und in heißem Wasser“ (vgl. Cloos: Greeting from…, S. 22).
… persönliche Differenzen ebenso
Den gelegentlich ausgetauschten Ansichten zu politischer Freiheit konnte er sich überhaupt nicht anschließen. Es stand das Revolutionsjahr 1848 vor der Tür. Sobald ihr Fünf-Jahresvertrag erfüllt war, entließ William deshalb alle Nassauer bis auf Johann Stein, den er als einen exzellenten und treuen Angestellten bezeichnete.

Doch die Differenzen, die William mit den Nassauern gehabt zu haben schien, waren wohl nicht grundsätzlich. Denn als 1843 die Verträge der sechs Arbeiter ausliefen, wollte er neue aus Deutschland kommen lassen. Die Kolonialregierung in London lehnte das mit der Begründung ab, dass keine größere Anzahl nicht-britischer Winzer als Arbeiter in der Kolonie zugelassen werden könnten. In einem Vorwort zu seinen gesammelten Zeitungsbeiträgen „Letters on the Culture of the Vine, Fermentation and the Management of the Wine in the Cellar“ konterte William Macarthur ärgerlich: „Es mag natürlicherweise gefragt werden, wie es kommt, dass, wenn Boden und Klima so vorteilhaft für Weinanbau sind, wir unsere Hügel nicht von Wein eingekleidet sehen […]? [E]s ist der beinahe vollkommenen Abwesenheit von praktischer Erfahrung mit den Einzelheiten geschuldet. Hätte unsere Heimatregierung ihre Pflicht erfüllt, hätte sie […] zwei- oder dreihundert deutsche, schweizerische oder französische Winzer an unsere Küsten übersandt“ (vgl. Macarthur: Letters on…, S. iv).
Natürlich konnte auch dieses Hindernis aus dem Weg geräumt werden und weitere deutsche Familien kamen nach Camden Park. Darunter war auch Joseph Stein, der nach Johann und Jakob als dritter aus der Familie Stein nach Sydney kam. Sein Bruder Johann Stein hatte für ihn eine Anstellung bei den Macarthurs arrangiert. In einem Brief an Bernhard Jung vom 26. September 1849 berichtete Joseph Stein, dass er ebenfalls bei den Macarthurs als Aufseher über den Weinberg und den Keller arbeiten und in dasselbe Cottage einziehen werde wie Johann zwölf Jahre zuvor. Zu diesem Zeitpunkt hatte Johann bereits 100 Morgen eigenes Land in der Umgebung erworben. 1852 kam Martin Thurn aus Frauenstein am Rhein, um bei den Macarthurs zu arbeiten. Seine Weinpresse ist heute im Museum Camden ausgestellt.

Die Weinindustrie in Camden heute
Es ist kein Wunder, dass sich William so für sein Konzept, internationale Winzer heranzuholen, einsetzte. Es war erfolgreich. Camden Park war seinerzeit der größte Weinproduzent Australiens. Sie schafften es auf 16.000 Gallonen pro Jahr und verfügten über bis zu 30.000 Gallonen in ihrem Weinkeller. Der Riesling aus Camden Park gewann internationale Preise, bis eine Reblaus-Epidemie in den 1880ern dem ein abruptes Ende setzte. Nach und nach wird die Region aber wieder als Weinanbaugebiet genützt. Heute gibt es mehrere Weingüter in Camden und die Macarthur Familie wohnt noch immer in Camden Park. Der Riesling hat sich mittlerweile in ganz Australien etabliert, wobei er sich geschmacklich vom rheinhessischen Riesling unterscheidet.


Literatur
- Atkinson, Alan: Camden. Farm and village life in early New South Wales, Melbourne 1988.
- Cloos, Patricia und Tampke, Jürgen (Hrsg.): Greetings from the land where milk and honey flows. The German emigration to NSW 1838-1858, Canberra 1993.
- King, Hazel: Elizabeth Macarthur and her world, Sydney 1980.
- Macarthur, William: Letters on the culture of the vine, fermentation, and the management of the wine in the cellar, Sydney 1844.
VON SOPHIA HÖFF
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