Der Todestag eines Menschen ist ein geeigneter Tag, sich zu fragen, was die jeweilige Person gerade macht. Heute ist der Todestag Heinrich Heines. Und wenn man wissen wollte, wie es Heine geht, konnte man ihn einfach hinter dem Kastanienwäldchen an der Humboldt-Universität in Berlin besuchen.

Das war ein pittoreskes Fleckchen. Abgesondert von den Touristenströmen, die Unter den Linden hinaufziehen. Im schweigsamen Schatten eines Nebenportals der Universität gelegen. Von den Wipfeln des Kastanienwäldchens beschirmt.
Das war ein Ort ganz nach Heines Geschmack. Denn Heine suchte schon zu seinen Lebzeiten nach einem Ruhepol, besonders nachdem seine schwere Krankheit ihn ans Bett fesselte. Diese Suche führte ihn durch ganz Paris, wo er insgesamt fünfzehn Mal umgezogen ist. Letztlich war seine Suche von vielen Misserfolgen geprägt.
Leider ist auch sein Ruhepol hinter dem Kastanienwäldchen nicht von langer Dauer gewesen. Zwar verirren sich auch heute eher wenige Touristen zu Heine, das liegt aber an dem monströsen Bunker, den das Maxim Gorki Theater neben seinem Stammhaus errichtet hat. Eine schmale asphaltierte Gasse wurde provisorisch über den Platz verlegt, wobei der ehemalige Bürgersteig dem Gorki Theater als Parkplatz für Lastwagen dient. Bauutensilien, Flutscheinwerfer und Absperrungen tragen das Übrige zur verrotteten Atmosphäre bei. Die Parkbänke, die Heine für Gäste freigehalten hat, müssen als Ablage für zusammengekehrtes Herbstlaub und sonstigen Abfall herhalten.
Kein Wunder, dass Heine dort kaum noch anzutreffen ist. Zu seinem Glück ist er an keine irdischen Beschränkungen mehr gebunden. So lässt er seine gusseiserne Hülle einfach an Ort und Stelle zurück, während er sich anderswo herumtreibt. Schade ist das trotzdem für alle, die Heine an seinem Todestag besuchen wollten.
VON SOPHIA HÖFF